Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
richtete sich auf, sein Buckel verschwand beinahe, und die Augen funkelten vor Stolz. Dieser Stolz begann sich nach und nach in vielen der trotzigen, streitlustigen Gesichter um ihn herum widerzuspiegeln. Diese Männer hatten ihr Handwerk beinahe vergessen, ihr anderes Leben, und sie fragten sich in diesem Fegefeuer des Wartens, ob sie jemals dorthin zurückkehren würden. Jetzt begannen sie zu grinsen, als ich Blake den Löffel reichte.
»Was meinst du, was das ist, Blake?«
»Ein … es ist ein Löffel, Sir.«
Die Männer lachten dröhnend, bis Sergeant Potter sie mehr schlecht als recht zum Schweigen brachte.
»Nein, Mann! Ich meine, ist er aus Silber?«
Challoner fauchte mich an, sagte, ich würde Ausflüchte machen, gleichwohl sah er zu, wie Blake in den Löffel biss, ihn polierte und verbog. Schließlich spähte er kurzsichtig auf den Leopardenkopf auf der Rückseite des Griffs. Es herrschte vollkommene Stille, bis auf das Rasseln der Ketten, als Scogman taumelnd auf die Füße kam. Blake schien allein darauf bedacht, ein möglichst ehrliches und exaktes Urteil zu fällen, gleichgültig, ob das Leben eines Mannes davon abhing.
»Mm. Schwer zu sagen, Sir.«
»Deine Meinung, Mann!«
Mein scharfer Unterton entging Blake nicht, und langsam dämmerte ihm, dass ich von ihm verlangte, als Handwerker einen Meineid zu schwören. »Nun … der Kopf des Leoparden ist sehr grob gearbeitet … Ich würde sagen, es ist eine Fälschung.«
Jemand hielt Scogman fest, der zusammenzubrechen drohte. Challoner versuchte, sich den Silberlöffel zu schnappen, ehe er wieder in meiner Tasche verschwand. »Gebt ihn mir! Ich werde ihn prüfen lassen!«
»Lieutenant Gage!«, rief ich.
Gage schaltete wesentlich schneller als Blake. Er trat vor mein improvisiertes Gericht und erklärte, er sei von der Anwaltskammer Gray’s Inn, womit er den Eindruck erweckte, ein Advokat zu sein anstelle des Schreibers, der er war. Blake schätzte den Wert des Löffels auf ein paar Pence. Diebstähle über einem Schilling wurden mit dem Galgen bestraft. Ob ein Soldat für geringere Vergehen von der Armee oder einem zivilen Gericht bestraft wurde, war nicht klar geregelt. Ich teilte Challoner mit, dass ich Scogman selbst bestrafen würde. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits außer sich vor Wut.
»Gerechtigkeit? Das nennt Ihr die Gerechtigkeit nach neuem Vorbild? Ich werde Euch Gerechtigkeit verschaffen!«
Auf der einen Seite hatte ich Challoner, der mir drohte. Auf der anderen die grinsenden Soldaten und Will, der mir zuflüsterte, ich hätte salomonische Weisheit bewiesen. Ich ertrug weder das eine noch das andere. Ich war so töricht gewesen mir auszumalen, wie meine Diplomatie beide Seiten einander näherbrachte. Doch jetzt waren sie einander so fern, dass es zwischen dem Dorf und den Soldaten zum offenen Krieg kommen würde. Kalter, heftiger Zorn erfüllte mich. Stalker half Challoner zurück auf sein Pferd, als ich ihn aufhielt.
»Gerechtigkeit? Ich werde Euch zeigen, was Gerechtigkeit ist!«
Ich schnappte mir die Peitsche von Stalkers Sattel und befahl Sergeant Potter, Scogmans Ketten zu lösen.
»Zieh ihn aus!«
Es gab nicht viel auszuziehen. Seine Kniehosen hingen in Fetzen herunter, nachdem er über den Boden geschleift worden war, und sein Wams war entzweigerissen. Das helle Haar war vom Blut dunkel und verfilzt, und an den Hand- und Fußgelenken hatte er starke Schwellungen. Er taumelte wie betrunken, als Sergeant Potter ihn mit gespreizten Beinen an einen Zaun drückte. Aber er grinste seinen Kameraden zu, und als er Daisy am Rand der Menge erblickte, wackelte er mit seinem Gemächt in ihre Richtung. Jubel kam auf, als sie sich ins Bauernhaus flüchtete.
Challoner sah von seinem Pferd aus zu, sein verzogener Mund verriet, dass er dies ebenso für Theater hielt wie die Begutachtung des Löffels.
Ich warf die Peitsche Bennet zu, dem Mann, der meiner Ansicht nach die mittlerweile verschwundene Muskete gehalten hatte. »Zwanzig Hiebe.«
Bei aller Großspurigkeit hätte Scogman sich ohne die Seile, mit denen seine Hände an den Zaun gebunden waren, kaum auf den Beinen halten können. Seine Knie knickten ein. Blut sickerte aus einer frischen Kopfwunde und lief ihm langsam über den Rücken. Ben, der Wundarzt, machte einen Schritt auf mich zu, wandte sich indes ab, als er mein Gesicht sah. Er kannte diese Stimmung bei mir.
Bennet ließ die Peitsche durch seine Finger gleiten. Er überprüfte seinen Stand. Die Menge verstummte.
Weitere Kostenlose Bücher