Falkenschwur: Die Fortsetzung des Bestsellers »Pestsiegel« (German Edition)
möglich.«
Er bedachte mich mit einem feisten, unschuldigen Lächeln. »Ihr habt Eure Männer doch unter Kontrolle, oder, Major?«
»Ihr provoziert sie, Sir Lewis«, erwiderte ich kühl. »Das verbitte ich mir. Wenn Ihr ihn wollt, nehmt ihn mit.«
Finster starrte er zu mir herab. »Auch gut. Holt den Verbrecher, Stalker.«
Stalker lächelte nicht. Er war ein frommer Puritaner und schenkte den Soldaten einen düsteren, aber zufriedenen Blick, als hätte die Welt, die eine Weile kopfgestanden hatte, sich wieder in ihre angestammte Position begeben und er wieder die Kontrolle übernommen. Er nickte mehreren von ihnen zu, als wollte er sagen: Ich kenne dich. Du hast einen Schinken gestohlen. Und du hast Unzucht getrieben. Sie bekommt ein Kind. Keine Sorge. Ich habe euch alle auf meiner Liste. Einige der Männer schlichen unter seinem Blick davon. Andere murrten. Nur Bennet erwiderte seinen Blick interessiert und tätschelte den knurrenden Hund.
Ich holte mein Pferd und führte die beiden über die Felder. Sir Lewis schien immer noch ganz begierig darauf, einen Streit vom Zaun zu brechen. Er deutete mit dem Daumen zurück zu den Soldaten. »Ich glaube, einige dieser Burschen sind der Meinung, die höchste Macht läge weder beim König noch bei den Gemeinden, sondern beim Volk.«
Ich schüttelte den Kopf. »In einer Londoner Bierschenke denkt man vielleicht so. Aber nicht hier.«
Seine blassen Augen wurden schmal. »Tatsächlich?«
»Die meisten von ihnen interessieren sich nicht für Politik, Sir Lewis. Sie wollen lediglich den Sold ausbezahlt bekommen, den man ihnen schuldet, wollen nach Hause zu ihren Familien gehen, arbeiten und dem Land nicht länger zur Last fallen.«
»Es sind Heiden«, sagte Stalker. »Sie erklären sich selbst zu Predigern. Verbreiten falsche Glaubenslehren.«
»Sie beten nur deswegen hier, Mr Stalker, weil Ihr ihnen den Zutritt zu Eurer Kirche verwehrt.«
»Weil sie Gesindel sind, Sir.«
»Sie predigen selbst, weil sie keinen Pfarrer haben. Ist es nicht besser, sie versuchen, auf diese Weise zu Gott zu finden, als wenn sie es überhaupt nicht versuchten?«
Sir Lewis schürzte die Lippen. »Es ist gefährlich, Sir, gefährlich.« Doch der Anblick von Scogman in Ketten, der gerade von Sergeant Potter zusammengeschnürt auf einen Karren geworfen wurde, besänftigte ihn. Stalker ritt zu ihnen, und Sir Lewis taute sogar so weit auf, dass er sagte, er verstehe, warum Lord Stonehouse einem so jungen Mann so ungewöhnlich großes Vertrauen entgegenbringe. Er zwinkerte mir zu und begann dann, von der Schönheit der Landschaft um uns herum zu schwärmen. Das Land war vernachlässigt, aber der Boden war fett und gut bewässert. Er zwinkerte mir ein zweites Mal zu, schlug mir auf den Rücken und sagte, vielleicht könnten wir uns einmal wiedertreffen und übers Land reden. Ich war einigermaßen verwirrt von diesem abrupten Stimmungsumschwung, schob es indes auf den Wein zum Mittag und – vielleicht ein wenig – auf meine Diplomatie.
»Meine Empfehlung an Lord Stonehouse«, sagte er und tat, als wollte er aufbrechen.
Ich wandte mich ab und rechnete damit, dass Sir Lewis und Stalker ohne Umstände losreiten und den Karren samt dem Gefangenen den Hohlweg entlang eskortieren würden, um den Soldaten nicht zu begegnen. Doch dann hörte ich Scogman vor Schmerz aufschreien.
Ich ritt zurück und sah, dass der Karren am Anfang des Weges angehalten hatte. Stalker und Sergeant Potter hievten Scogman herunter und zogen gerade ein Seil durch seine Ketten, um es an Stalkers Sattel zu befestigen. Ich eilte zu ihnen.
»Sir Lewis, zeigt Erbarmen und lasst ihn auf dem Karren! Ihr werdet meine Soldaten reizen!«
Er sah mich erstaunt an, doch seine bebenden Wangen straften ihn Lügen. »Die New Model Army? Das ist doch ein Vorbild an Disziplin, oder nicht, Major?«
Scogman riss sich los, stolperte und fiel. Seine Kniehosen waren zerrissen, und dort, wo sich die Ketten ins Fleisch geschnitten hatten, bluteten seine Beine.
»Lasst ihn los. Ihr nehmt ihn im Karren mit oder gar nicht.« Nur mit Mühe gelang es mir, meine Stimme ruhig klingen zu lassen.
Stalker zögerte. Sir Lewis hob den Kopf. Als er mir einen Blick von unnachgiebiger Feindseligkeit zuwarf, begriff ich, warum man ihn einen Galgenrichter nannte. Doch seine Stimme blieb freundlich, sogar jovial, als er den Brief hervorholte, den ich ihm geschickt hatte.
»Ist das nicht Eure Unterschrift, Sir? Euer Siegel? Ihr habt mir den Mann überlassen,
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