Fall bloß nicht auf!
gegangen. Als ich dann dort reinging, lag sie schon tot da, auÃerdem war da noch der Typ. Er muss ihr eins über den Kopf gezogen haben.«
Ich beobachte die Mädchen, jedes einzelne Gesicht. Sie glauben kein Wort davon.
»Das stimmt«, sage ich. »Ich habe ihn auch gesehen.«
Tammy schaut mich argwöhnisch an.
»Und du bist auch zufällig dort gewesen.«
»Ja.«
Sie trat einen Schritt näher.
»Woher hast du Trixis Messer?«
Die anderen Mädchen erstarren. Tammy schaut zu ihnen hinüber.
»Habt ihr das nicht bemerkt?«, fragt sie die anderen. »Slicky hat ihr Messer.«
»Ich habe es ihr aus der Tasche gezogen«, sage ich. »Damit habe ich mich gegen den Typen gewehrt.«
»Das stimmt«, sagt Becky.
Doch für Erklärungen ist es nun zu spät. Die Mädchen kommen näher. Ich halte ihnen das Messer entgegen.
»Keinen Schritt weiter!«
Sie gehen trotzdem weiter. Becky und Jaz hinter mir weichen zurück.
»Keinen Schritt weiter oder â«
»Oder was?«, sagt Sash.
Ich schaue hinter mich. Becky und Jaz stehen vor der Zeder, das kleine Mädchen hält ihre Zeichnung in der Hand.
»Oder was?«, höhnt Sash.
Und plötzlich rufe ich dem Kind etwas zu.
»Jaz, halte deine Zeichnung hoch, damit wir sie sehen können. Halte sie über deinen Kopf!«
Und ohne Zögern tut sie, was sie immer tut. Sie tut, was man ihr sagt. Sie hält die Zeichnung über den Kopf, vielleicht eine Handbreit, aber das genügt schon.
Denn mein Arm schwingt schon zurück. Nur für mich ist es Zeitlupe, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft werden eins, als das Messer durch die Luft saust, die Spitze auf das kleine Mädchen vor dem Baum gerichtet. Ich beobachte ihr Gesicht, es schaut mich ruhig an, als wäre es der ruhigste und friedlichste Ort in dieser ganzen beschissenen Welt.
Das Messer bohrt sich in das Papier und heftet es an den Baum dahinter.
Das Rotkehlchen ist mitten ins Herz getroffen.
Dann renne ich zu Jaz hinüber. Sie steht immer noch ganz ruhig da, vertrauensvoll wie immer. Becky schreit auf, aber ich hab keine Zeit für sie. Ich ziehe das Messer aus der Baumrinde, das Blatt Papier fällt zu Boden. Ich wende mich wieder den Mädchen zu. Sie haben sich nicht gerührt, sondern starren mich an. Ich spüre, wie Jaz meine freie Hand ergreift.
Becky hört auf zu schreien.
Ich warne die Mädchen.
»Wer mir zu nahe kommt, dem passiert das Gleiche.«
»Wie Trixi?«, ruft Tammy.
»Das war nicht ich, und Becky auch nicht.«
Sie starren mich weiter an, dann wenden sie sich ab und ziehen sich zurück. Becky berührt mich am Arm.
»Es ist noch nicht vorbei«, sagt sie.
Ich schaue zu Jaz hinunter, ihre Hand liegt noch immer in meiner.
»Das war erst der Anfang«, sage ich.
Das ist zwar nicht das beste Nest, Bigeyes, aber für heute Nacht wird es reichen. Und da es eine Wohnung in einem Mietshaus ist, können wir sogar Licht machen. Zumindest ein paar Lampen im Schlaf- und im Wohnzimmer. Da kann man das Licht stufenlos regulieren und auÃerdem gehen die Fenster auf die UmgehungsstraÃe. AuÃer den Autofahrern kann uns niemand sehen, die Wohnung liegt zu hoch, als dass sich überhaupt irgendjemand um uns kümmern würde.
Becky war den ganzen Tag über schweigsam. Hat kaum was gesagt, seitdem wir den Wald verlassen haben. Auch Jaz hat nicht viel gesagt. Sie war wohl ein bisschen sauer, weil ich ihre Zeichnung verhunzt habe, aber nicht lange. Sie hat mir wieder die Hand gegeben.
Keine Ahnung, was wir den restlichen Tag über gemacht haben. Immer unterwegs und Augen auf. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Und jetzt ist es acht Uhr abends, es ist dunkel und mein Leben ist wieder ein Chaos.
Ich war gut im Mich-tot-Stellen. Mein Leben war ein fauler Lenz, ich konnte ausschlafen. Wie schon gesagt, das Leben ist ein Kinderspiel. Aber eben nur, wenn man es im Griff hat. Andernfalls ist es ein Krampf. Ich muss mich zusammenreiÃen, muss entscheiden, was ich tun soll. Drei Jahre lang habe ich wie ein Geist gelebt, jetzt sind wieder Gespenster hinter mir her.
Becky hat sich zusammen mit Jaz aufs Sofa gekuschelt. Das kleine Mädchen schläft ganz tief. Becky hat auch die Augen geschlossen, aber sie schläft nicht. Am liebsten würde sie mich und alles andere verdrängen. Sie versucht zu vergessen.
Frag mich nicht, woher ich das weiÃ.
Aber
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