Hinter dem Vorhang
Prolog – Echos
1298 – An einem unbekannten Ort
„ Es ist Falsch, aber scheinbar bin ich die Einzige, die das so sieht.“ Es war still geworden, seit sie
ruckartig aufstand. Natürlich hatte sie den rechten Zeitpunkt abgepasst um ihren Einwand
vorzubringen. Selten war es, dass die zierliche Frau ihre Stimme erhob, umso eindrucksvoller
der Klang, als sie von den steinernen Wänden widerhallte. Es blieb still, auch als der Blick dunkler
Augen durch die Runde der Versammelt glitt. Zumindest im ersten Moment. „Richtig und Falsch
liegen stets im Auge des Betrachters, Schwester.“ Laetizia wollte gerade ansetze etwas zu erwidern,
doch der Sprecher erhob das Wort sogleich abermals, während auch er langsam aufstand. Der
blonde Mann überragte die Frau gut um Haupteslänge die mit ihrem offenen schwarzen Haaren und
Augen sein genaues Gegenteil zu sein schien. „Wir wissen um deinen Einwand und wir akzeptiere
ihn.“ Leise sprach er, klar und ruhig, ein wenig zu ruhig vielleicht. „Nein Jargo, es ist nicht nur
Falsch es ist Wahnsinn.“ Ihre Stimme hatte sich wieder weiter herab gesenkt. Sie wollte sich nicht
provozieren lassen. Aber weshalb stand sie hier alleine? Sah denn keiner ein, dass sie damit ihre
eigenen Ideale verrieten? Waren sie denn alle so blind? Als Dritter erhob sich der Mann, der die
ganze Zeit schon schmunzelnd neben Laetizia gesessen hatte. Im Gegensatz zu den anderen Beiden
blieb er nicht stehen, sondern begann zu wandern. Bedächtig, wiegende Schritte, die ihn durch das
unterirdische Gewölbe trugen um die Stühle der Versammelten herum. „Verzeih Jargo, aber ich
denke ich kann ihr das besser veranschaulichen, als du.“ Er schenkte dem blonden Mann ein
Lächeln, ehe sein Blick wieder zu der schmächtigen Frau glitt, die ihn mit funkelnden Augen
beobachtete. „Wir wissen genau, dass dieses Vorhaben gegen unsre eigenen Gebote verstößt, deren
Brechen wir so hart bestrafen und dennoch wollen wir es tun, damit unsre Tugenden nicht verloren
gehen. Sieh... meine Liebe... der Edelmut zeigt sich zumeist nur im Angesicht einer Bedrohung
und Ideale werden nur dann verteidigt, wenn es etwas gibt, das ihnen entgegensteht. Eine
Herausforderung... ein Bildnis, ein Beweis, dass unsre Normen wichtiges Gut sind... und dafür ist
es wichtig einen Gegenpol zu erschaffen.“ „Ihr beschwört unsren eigenen Untergang damit
herauf...“ Ihre brüchige Stimme war nunmehr ein Flüstern. Ein Flüstern das rasch verklang, das der
Einzige und der letzte Einspruch blieb. Es war beschlossen.
Heute – New York
"Scheiße schon wieder einer. Langsam wird das echt gruselig... warum kriegen die diesen Psycho
nicht endlich?" Das kleine Café war leer. Nun ja zumindest wenn man von der Bedienung und
einem Gast, die an Theke saßen einmal absah. Im Augenblick waren die zwei Augenpaare auf den
Nachrichtensprecher des kleinen Fernsehers gerichtet, der in gottergebener Gleichgültigkeit die
aktuellen lokalen Ereignisse zum Besten gab und das mit einer Mentalität, die einer einschlafenden
Schnecke beim Hundert Meter Lauf alle Ehre gemacht hätte. Dabei waren die Nachrichten nichts
was einen hätte kalt lassen sollen. Der Mann mit den graumelierten Schläfen schnarrte weiter:
"Damit beläuft sich die Anzahl an Personen, die dem Serienmörder in diesem Jahr bereits zum
Opfer fiel auf Elf Personen. Das New Yorker Police Department steht nach wie vor vor einem
Rätsel." Die Bedienung, die eben auch gesprochen hatte, schüttelte den Kopf, zückte die
Kaffeekanne um die Tasse der Dame auf der anderen Seite saß noch einmal nach zufüllen. "Hmmm
vielleicht ist es ja kein Mensch?", gab die Frau, die ihre gefüllte Tasse aufnahm daran zu Nippen zu
bedenken. Als sie jedoch sah wie sich die Augenbrauen der Bedienung wölbten, setzte sie ein
breites Grinsen auf. "Manchmal glaube ich, du tickst nicht richtig, Kaey. Und... du solltest mehr
schlafen." Mit diesen Worten reckte sich die Bedienung über den Tresen um ihrem Gast die Tasse
wieder zu entwenden die sie gerade noch befüllt hatte was in einem spielerischen HickHack,
begleitet von einigem Gackern endete. Schlussendlich gewann jedoch die Kellnerin, welche die
mittlerweile halb leere Tasse triumphierend in die Höhe hielt. Kaey rutschte mit einem gekicherten
"Tse.." vom Hocker und betrachtete die braunen Spritzer, die das Gerangel auf der hellblauen Jacke
hinterlassen hatte. "Ich hab eh' Feierabend... also werde ich gleich gemütlich nach
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