Fallkraut

dem ­Urlaub würde ich anfangen.
    Â»Es ist so ein verrückter Tag heute«, schnaufte ich und ließ mich aufs Sofa fallen. »Morgen fahre ich in den Urlaub, und da dachte ich: Warum feiern wir nicht ein bisschen, statt dass du dich mit deinen steifen Fingern ans Klavier setzt? Ja, du und ich«, sagte ich, als ich Brigits erstaunten Blick sah. Ich klopfte neben mir auf das Sofa. »Diese ganzen Leckereien dürfen alle werden. Lang zu. Ich schmeiße es sonst doch nur weg.«
    Â»Schöne Tassen«, sagte Brigit. Sie lief zum Sofa und nahm sich einen Schokoladentaler. Brigit aß wie ein Nagetier, Häppchen rund um den Rand, immer kleiner und kleiner, bis nur noch ein klebriges Bröckchen übrig war, und dieses Bröckchen zerbröselte in ihrer Hand.
    Â»Wie sparsam du isst«, sagte ich. »Als ob es dein letztes Stückchen Brot wäre. Greif doch zu, Mädel.«
    Â»Von Schokolade bekomme ich Pickel«, murmelte Brigit verlegen.
    Â»Ach so«, sagte ich und trank einen Schluck von meinem Tee. Ich durfte nicht vergessen, vor der Abfahrt Bleichmittel ins Klo zu sprühen. Sonst würde es im Haus anfangen zu riechen.
    Â»Das ist ein ganz besonderer Tee«, bemerkte ich. »Es ist die erste Pflückung der Saison, darum heißt er First Flush.« Schwierig, die Aussprache dieser englischen Wörter. Ich sprach sie aus, wie man sie schreibt. »Du lieber Himmel«, sagte ich unbehaglich und fühlte an meinem Hals. Aber Brigit achtete nicht darauf.
    Â»Viele Pickel«, sagte sie. »Gucken Sie mal.« Vorsichtig schob sie ihren Pony beiseite.
    Ich setzte meine Brille ab und ging mit dem Gesicht näher heran. Zwei rote Beulen, von roten Flecken umsäumt, starrten mich an. Die eine Pustel war relativ klein und friedlich, die andere maß gut und gern zwei Zentimeter im Umfang und hatte einen gelben, harten Kopf. Die Haut darum herum war rot, als ob er jeden Moment platzen würde.
    Â»Sieht schmerzhaft aus«, sagte ich und nahm wieder einen Schluck von meinem Tee.
    Behutsam, als suchte sie die richtige Taste auf dem Klavier, befühlte Brigit die zwei Beulen an ihrer Stirn. »Die hier«, sagte sie und zeigte auf die rechte, »ist reif. Die drücke ich heute Abend vor dem Spiegel aus.«
    Ich änderte meine Sitzhaltung. Ich wusste nicht, ob ich dieses Thema nun so angenehm fand zum Tee. Der Darjeeling, die süßen Mandelkringel, mein Meissener, sie verdienten etwas Besseres. Ich glaubte nicht, dass ich oder Sigrid früher unter Pickeln gelitten hatten. Sicher nicht unter solchen Karbunkeln, wie Brigit sie mir zeigte.
    Â»Es ist vielleicht doch bequemer, wenn du dir einen Stuhl nimmst«, sagte ich. »Auf dem Sofa ist es ein bisschen eng für uns beide. Bei diesem heißen Wetter.«
    Ohne etwas zu erwidern, stand Brigit auf und setzte sich mir gegenüber.
    Â»So«, sagte ich. »So kann ich dein hübsches Gesicht besser sehen.«
    Â»Hübsch? Danke.« Brigit schlug die Augen nieder.
    Â»Tun sie weh?«, fragte ich und zeigte auf die Pickel.
    Â»Manchmal«, sagte Brigit.
    Der Tee brannte mir in der Kehle. Ich aß schnell einen Keks. »Heißt das ja oder nein?«, murmelte ich. Ich wischte mir die Krümel aus den Mundwinkeln. Mandelsplitter fielen auf meinen Schoß.
    Brigit zuckte mit den Schultern.
    Â»Deine Stirn glänzt«, sagte ich. »Wäschst du dir auch regelmäßig die Haare?«
    Â»Ã„h-hä«, nickte Brigit. »Jede Woche.«
    Â»Das ist zu wenig«, sagte ich. »Wenn man in der Pubertät ist, muss man gut auf die Hygiene achten, gerade als Mädchen. Männer dürfen stinken, junge Damen müssen duften. Du musst dir jeden Tag die Haare machen, mit einem Waschlappen unter die Arme, zwischen die Beine, jeden Tag die Füße waschen im Bidet oder im Waschbecken.«
    Ich wollte erzählen, wie sehr ich selbst früher darunter gelitten hatte, dass mir niemand so etwas sagte. Mama war schon tot. Und Papa interessierte nur das Bild. Das Bild auf der Bühne und das Geld, das dieses Bild in die Kasse brachte. Ich mit meinen dunklen Haaren am Klavier und Sigrid mit ihrem blonden Haar vorn an der Geige. Um Dekorum gehe es, sagte Papa, auch wenn wir stanken wie die Mäuse.
    Ich schob mir noch einen Schokoladentaler hinein. Brigit wartete wirklich nicht auf diese ollen Kamellen. Das Mädel ist jung und schaut nach vorn.
    Die Schale war fast leer. »Und