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Falsche Brüder

Falsche Brüder

Titel: Falsche Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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um sich.
Niemand sprach.
Dann fragte Hugh: „Wer bist du?“
Irritiert antwortete der Junge: „Seppo, Vitala Seppo. Es wird
euch Leid tun, ihr werdet sehen…“
Ich aß ohne Appetit, lustlos. Zu sehr noch saß mir das
Geschehen – noch keine dreißig Minuten her – in den Knochen.
Und dieser Hugh hielt hier einen Vortrag wie vom Katheder,
zugegeben, zur Sache…
Und überhaupt, dieses lächerliche Häuflein! Ich blickte den
Waldrand hinauf und hinunter. Dreißigtausend sollen es sein –
und täglich kommen mehr –, dreißigtausend, die den Gegner
ständig eingeschlossen halten. In früheren Kriegen bedeutete
das im Regelfall dessen Untergang. Hier? Sozusagen ein
wandernder Kessel, ein aufwendiges Beobachten mit
Menschenopfern. Mehr nicht! Und dort, wo die Eindringlinge
durchgezogen sind, ist alles vernünftige menschlich Leben
ausgelöscht. Wir dürfen dies feststellen, versuchen, den
Unglücklichen, die leben, zu helfen. Und niemand und nichts
konnte es bisher verhindern.
Diese Weisheiten hatte ich aus den „Pausengesprächen“,
aus den paar Brocken, die die „Alten“ fallen ließen, die Alten,
die nun schon fast vier Wochen „kämpften“. Offiziell erfuhr
man nichts Zusammenfassendes, man wusste nicht, was hinter
dem Kessel wirklich geschah, wie viele Verluste an der Front
eingetreten und wie viele Opfer unter der Bevölkerung zu
beklagen waren. Vielleicht funktionierte nicht einmal eine
zentrale Berichterstattung. Und niemandem, das wusste ich
auch, konnte daraus ein Vorwurf erwachsen. Das Stadium der
Verwirrung, der Überraschung, des Unfasslichen war noch nicht
überwunden, und dennoch musste man handeln…
Ich hatte meine Portion aufgegessen, wenn auch ohne jeden
Appetit. Der gesunde Menschenverstand sagte mir, dass in
Situationen wie der meinen die Gelegenheit entscheidend sein
konnte. Wer weiß, wann es das nächste Mal etwas zum Essen
gab?
Plötzlich klang jenseits des Waldstreifens wieder das knallende
Bersten auf. Trotz der Sonnenhelle zuckte blauer Schein über die
Fahrzeuge, die Gesichter. Wer noch das Foliengeschirr auf den
Knien hatte, warf es von sich, ließ sich zu Boden fallen.
„Aber, aber, Jungs“, rief Hugh in das Geknalle hinein. „Ihr
müsst sie doch nun schon kennen. Jetzt legen sie – zugegeben,
ein wenig eher als erwartet – ihren Teppich. Zum Glück für uns
jenseits des Waldstreifens. Wenn sie aufgehört haben, kommen
sie. Bis dahin ist nichts zu befürchten.“ Er kratzte mit dem
Löffel letzte Soßenreste aus dem Aluminiumblech und schleckte
sie mit Behagen.
Ein wenig beschämt setzte ich mich auf, klopfte
Erdklümpchen und Moosteile von meiner Bluse. Andere taten
es mir gleich, aber nur soweit sie Hughs Stimme vernommen
hatten. Im weiteren Umkreis lagen die meisten, wie ich beim
vorigen Angriff gelegen hatte, flach auf dem Boden, als wollten
sie sich hineinquetschen. Ein beschämendes und gleichzeitig
ein furchteinflößendes Bild, sinnfällig für die Ohnmacht.
„So“, sagte Hugh, indem er sich mit dem Handrücken den
Mund wischte, ganz, als beende er auf einer Landpartie ein
vorzügliches Picknick. Dann stand er auf, spähte durch die
Baumreihen, horchte. „Dacht’ ich mir’s doch!“, sagte er. Was er
sich gedacht hatte, behielt er jedoch für sich.
Durch Hughs Verhalten aufmerksam geworden, lauschte
ich. Ja, das musste es sein. Das Bersten klang in dichter Folge,
aber einmal links, einmal rechts auf. Sie schossen nicht mehr in
diesen vorausschaubaren Linien. Immerhin hielten sie noch den
Streifen ein.
Die Hundertschaftsführer wurden zusammengerufen. Offenbar
galt es nun, der neuen Situation Rechnung zu tragen. Der
Befehl lautete dann auch: Rückzug auf anderthalbfache Distanz
zum nächsten zu erwartenden Vorstoß, um nicht wie vordem in
die Feuerlinie zu geraten.
„Na also“, dachte ich bitter, „das ist doch wieder einmal eine
Aktion!“
„Komm mit!“, forderte mich Hugh unvermittelt auf.
Als ich verständnislos blickte, wies der Kamerad nach vorn in
das Wäldchen hinein. „Du hast sie doch noch nicht gesehen,
vielleicht klappt es.“
Einen Augenblick schwankte ich zwischen Angst und Neugier.
Schließlich überwog der Wille, die permanente Furcht einfach
zu unterdrücken.
Während wir wie Pilzsucher in den Wald eindrangen, war es
mir, als nickte Hugh einigen seiner Gefährten zu, auch alten
Hasen wie er, und diese schickten sich an, indem sie ihre Waffen
aufnahmen, ihm zu folgen.
Hinter uns klangen Befehle auf, die

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