Falsche Schritte, dunkle Pfade (German Edition)
ihm entgegengrinste.
Statt einer Begrüßung blies er auch erst einmal fröhlich in eine davon hinein und die anderen Fans folgten ihm – vermutlich, weil sie es ohnehin die ganze Zeit taten.
„Grüß dich, Brüderchen!“, sagte Martin fröhlich, nachdem er die Vuvuzela wieder abgesetzt hatte.
„Hallo, Martin“, sagte Edgar etwas weniger fröhlich und setzte sich kopfschmerzgeplagt neben seinen kleinen Bruder.
„Hat mich echt gefreut, dass du das vorgeschlagen hast“, meinte Martin. „Wir sollten wieder öfter zum Fußball gehen. Wie in alten Zeiten!“
Mit diesen Worten hielt er ihm die andere der beiden Vuvuzelas hin.
„Was soll ich damit?“, fragte Edgar, ahnte die Antwort aber schon.
„Na, mittröten!“, sagte Martin. „Ich hab dir extra eine mitgebracht, also sei kein Spielverderber.“
Skeptisch nahm Edgar die Vuvuzela entgegen und betrachtete sie wie ein seltsames Insekt.
„Was ist denn los, Brüderchen?“, fragte Martin. „Jetzt lass uns doch ein bisschen Spaß haben!“
Um seine Aufforderung zu bekräftigen, blies er auch gleich wieder in seine eigene Vuvuzela. Nach einem kurzen Moment des Zögerns tat Edgar es ihm gleich. Er wollte zumindest den Schein wahren.
„Na also, es geht doch“, meinte Martin und klopfte seinem großen Bruder auf die Schulter. „Schau, das Spiel geht los.“
„Ich hab uns was zu trinken mitgebracht“, sagte Edgar und kramte in seiner Plastiktüte. Er zog zwei kleine Colaplastikflaschen hervor und reichte eine davon seinem Bruder.
„Hey, danke dir!“, rief Martin erfreut aus. „Wer hätte gedacht, dass ich heute auch noch ein Geschenk von dir bekomme?“
Du hast wirklich schon genug von mir bekommen, dachte Edgar grimmig und vergewisserte sich noch einmal mit einem kurzen Seitenblick, dass er seinem Bruder auch wirklich die Flasche gegeben hatte, bei der das Etikett kaum merklich eingerissen war. Eine Verwechslung konnte er sich nicht erlauben, sonst würde sein Plan eine ungewollte Wendung nehmen.
Dass Sabine ihn betrog, wusste er schon lange. Es musste schon mindestens zwei Jahre so gehen. Er hatte es gemerkt, als er auf Grund der abnehmenden Patientenzahl in seinem Wartezimmer zum ersten Mal früher heim gekommen war. Sabines Erschrecken darüber, dass er schon nach Hause kam, war unübersehbar gewesen. Zwar ein unverdächtiges, frisch gemachtes Bett, jedoch der Duft eines fremden Aftershaves im Zimmer.
Mit zunehmendem Zugrundegehen seiner Praxis war er trotzdem immer bis acht Uhr abends aushäusig geblieben, um Sabine in dem Glauben zu lassen, sie hätte am Nachmittag sturmfrei. Das einmalige frühere Heimkommen hatte er mit dem leichten Anflug einer Erkältung erklärt, die er nicht an seine Patienten weitergeben wollte.
Manchmal war er am Nachmittag los gefahren, um das Haus zu beobachten. Einmal hatte er das Geschehen um Minuten verpasst. Sabine war durch das Fenster zu sehen gewesen, um halb drei Uhr nachmittags nur mit einem Bademantel bekleidet, ein paar verräterische Bettlaken in die Waschküche bringend. Die anderen Male - Fehlanzeige. Aber vor zwei Monaten hatte er von seinem Beobachtungspunkt aus gesehen, was er sehen wollte – oder vielmehr, was er eigentlich nicht sehen wollte.
Ein fremdes Auto in der Einfahrt, wohl ein Mietwagen. Als er den Fahrer aus dem Haus kommen sehen hatte, war seine Welt endgültig in sich zusammengebrochen. Mit einer betrügerischen Ehefrau hätte er ja noch leben können, aber sein eigener Bruder ...
Die Vuvuzelas holten Edgar in die Gegenwart zurück. Am lautesten von allen dröhnte natürlich die seines Bruders direkt neben seinem Ohr.
„Komm, mach mit!“, brüllte Martin, der begeistert das Spiel verfolgte und gleich wieder in seine Vuvuzela blies.
Edgar hob seine eigene ebenfalls an und trötete mit. Sollte sein Bruder doch glauben, dass Edgars Welt noch heil war.
Nachdem er seine Vuvuzela wieder abgesetzt hatte, öffnete Edgar seine Colaflasche und trank. Martin hatte die seine noch nicht einmal geöffnet und Edgar lag daran, es hinter sich zu bringen.
„Gute Idee“, meinte Martin und öffnete seine Flasche auch. Einen Moment lang zögerte er.
„Gib mir gleich den Deckel, ich schmeiß ihn in meine Tüte“, sagte Edgar.
„Super, tust was für die Umwelt“, spottete Martin und gab ihm den Deckel.
Edgar atmete innerlich auf. Einen Moment lang hatte er befürchtet, Martin würde das klitzekleine Loch in dem Deckel bemerken, das Edgar verursacht hatte, als er das Serum in die
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