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Falscher Ort, falsche Zeit

Falscher Ort, falsche Zeit

Titel: Falscher Ort, falsche Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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losbinden?«
    »Nein.«
    »Verstehe.«
    In den nächsten paar Sekunden blieben wir alle acht stumm. Von mir wurde erwartet, dass ich etwas sagte, aber das tat ich nicht.
    »Wissen Sie, was wir im Kofferraum Ihres Wagens gefunden haben?«, fragte der Mann, der auf dem Schreibtisch saß.
    »Wer sind Sie?«, fragte ich.
    »Broderick Tinely.«
    »Oh«, sagte ich. »Der Staatsanwalt.«
    Er war nicht erfreut darüber, dass ich ihn kannte.
    »Im Kofferraum Ihres Wagens lag eine Pistole. Dieselbe Waffe, mit der die arme Wanda Soa erschossen wurde.«
    »Oh.«
    Wie im Kino stellte ich mir alles in Breitwand vor, gesichtslose Männer in Anzügen, die in John Prince’ leere Wohnung eindrangen, in einer Schublade eine Pistole fanden und mitnahmen.
    »Haben Sie etwas zu sagen?«, fragte Tinely.
    »Ähm … nein.«
    »Das bedeutet Anklage wegen Mord, McGill«, informierte mich der Staatsanwalt. »Selbst wenn Sie es irgendwie schaffen, da durchzuschlüpfen, kriegen wir Sie auf jeden Fall als Mittäter dran.«
    »Endlich habe ich Sie, Leonid«, sagte Charbon.
    Mir fiel nichts ein, womit ich hätte widersprechen können.
     
    »Woher haben Sie die Pistole?«, fragte Staatsanwalt Broderick Tinely zum hundertsten Mal.
    Wir waren zurück in meiner beengten kleinen Zelle. Ich war überrascht, dass wir alle hineinpassten.
    Neben ihm stand James Charbon, der, wie ich nur vermuten konnte, wohl dabei sein wollte, wenn ich endlich zusammenbrach und gestand.
    Mittlerweile hatte ich richtig Fieber. Mein Kopf pochte, und ich konnte mich kaum auf die gesprochenen Worte konzentrieren.
    Die Vernehmung dauerte schon Stunden. Ich war so schwach, dass ich meinen Kopf nur noch mit Mühe oben halten konnte. Die Schmerzen in meinem linken Arm waren unerträglich.
    »Woher haben Sie die Pistole?«
    Einhundertundeins.
    Ich blickte auf und sah meinem Ankläger ins Gesicht. Er hatte ein Doppelkinn und eine Glatze, wie ich, nur in Weiß.
    »Sandra Sanderson, die Dritte«, sagte ich laut und deutlich.
    Ich musste glucksen, als ich die Furcht in seinem Blick sah.
    Charbon ohrfeigte mich ziemlich heftig.
    In diesem Moment wusste ich, dass ich sehr krank war, weil der Schlag nicht mal brannte.
    Die Tür hinter den beiden ging auf, und Carson Kitteridge kam herein.
    »Was hat das zu bedeuten, Lieutenant?«, bellte Charbon.
    »Verzeihen Sie, Captain«, sagte Kitteridge. »Es tut mir schrecklich leid, Ihre Vernehmung zu stören, aber ich bin hier, um Mr. Tinely zu verhaften.«
    »Was?«
    »Wegen Bestechlichkeit, Sir«, sagte Kitteridge bewusst sanft und mild.
    »Verschwinden Sie hier, verdammt noch mal«, knurrte Charbon.
    »Nein, Captain«, sagte eine weitere Stimme. »Lieutenant Kitteridge und ich nehmen Tinely fest. Außerdem entbinden wir Sie von dieser Vernehmung.«
    Nathan Samuels, stellvertretender Chefankläger der Stadt, betrat den Raum. Er war von einem Lichtschein umkränzt, den ich meinem Fieber zuschrieb.
    »Aber Mr. Samuels …«, sagte Charbon.
    »Lassen Sie uns allein, Captain.« Er musste es nicht zwei Mal sagen.
    »Und Sie, Mr. Tinely«, sagte der pummelige Vizechef der Staatsanwaltschaft, »Sie gehen mit den Beamten mit, die im Flur auf Sie warten.«
    Offenbar entfernten sich Menschen. Mit ihnen verabschiedete sich mein Bewusstsein.
    »Kommen Sie«, sagte Kitteridge zu mir. »Stehen Sie auf.«
    Ich schaffte es, mich zu berappeln, konnte jedoch das Gleichgewicht nicht halten. In einer Folge klar unterschiedener Phasen, so schien es mir, fiel ich zu Boden.Ich spürte den kalten Beton an meiner Haut, und das war das beste Gefühl seit langem.

58
    Als ich meine Augen aufschlug, lag ich auf dem Rücken und starrte an eine weiße Decke. Die Kopfschmerzen waren weg, wie praktisch jede andere Empfindung. Ich rieb meine Fingerkuppen und spürte sehr wenig.
    »Leonid?«
    Aura saß neben mir. Sie trug ein schwarzes Kleid und einen roten Schal, den ich ihr geschenkt hatte, als wir zusammengekommen waren.
    »Sterbe ich?«
    »Nein«, sagte sie. »Aber du bist sehr krank. Die Wunde an deinem Arm hat sich entzündet, und du hast eine schwere Gehirnerschütterung. Die Ärzte haben sich Sorgen gemacht, aber ich wusste, dass du durchkommst. Wenn sie mitkriegen, dass du wieder bei Bewusstsein bist, werden die Schwestern deine Familie anrufen. Sie waren bis vor einer Stunde hier. Ich habe gewartet, bis sie gegangen sind, bevor ich mich zu dir gesetzt habe.«
    »Wo ist dein Freund?«
    Aura nahm lächelnd meine Hand. »Du hättest mir erzählen sollen, dass George dir

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