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Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
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was ich langsam denke?
    *
    Paul sagt: Allersmead verkaufen ? Damit wird Mum niemals einverstanden sein, oder? Ich weiß auch nicht, ob ich dafür bin. Allersmead verkaufen?
    E-MAIL – SANDRA AN GINA, KATIE, ROGER, CLARE
    Das ist das Mittel der Wahl. Ich glaube, der Wert liegt bei zwei Millionen. Damit wären alle Probleme gelöst. Schade, aber stellt euch den Tatsachen.
    E-MAIL – KATIE AN GINA, SANDRA, ROGER, CLARE
    Das kannst du nicht machen. Wir können das nicht machen. Es muss eine andere Lösung geben.
    E-MAIL – CLARE AN GINA, SANDRA, KATIE, ROGER
    Was? Allersmead? Kein Allersmead mehr? Ach, bitte nicht.
    *
    Gina biegt in die Auffahrt ein und parkt vor der Haustür. Der Kies hat sich rar gemacht und schaut nur noch hier und da zwischen Unkraut und Moospolstern hervor, die Reifen knirschen nicht mehr. Sie erinnert sich, wie vor Ewigkeiten mal eine Ladung geliefert wurde, wie sie alle darin umhergewatet sind und mitgeholfen haben, den Kies zu verteilen. Sie bemerkt den Riss neben der Haustür und blinzelt zum Dach hoch, das seinen desolaten Zustand tatsächlich signalisiert – überall sind Ziegel abgerutscht oder fehlen ganz.
    Philip hat angeboten, nach Allersmead mitzukommen. Nein, hatte sie gesagt – danke, aber das erledige ich am besten allein.
    Sie betrachtet Allersmead mit seltsam zwiespältigen Gefühlen, einer Mischung aus Nähe und Distanz. Sie sieht dieses große Haus, das in einer anderen Ära geplant wurde, einer Zeit mit ganz anderen sozialen Voraussetzungen, als das Dienstbotenwesen einen bedeutenden Erwerbszweig darstellte, als eine Armee von weiblichem Personal Haushalte wie Allersmead am Laufen hielt. Das Klingelbrett hängt immer noch in der Küche: großer Salon, kleiner Salon, Schlafzimmer 1 … Gina sieht in dem Haus die damaligen Umstände bekräftigt, als ein Mensch nach seiner Ausdrucksweise und seiner Kleidung einer bestimmten Schicht zugeordnet wurde, als die meisten Menschen solche Unterschiede für selbstverständlich hielten und die einseitige Verteilung des Reichtums für naturgegeben. Allersmead zeugte vielleicht eher von Wohlstand als von Reichtum. Gina stellt sich diesen Wohlstand vor, und vor ihren Augen schweben Schatten aus dem Allersmead früherer Zeiten herbei – Damen in weiten Röcken und hochgeschlossenen Blusen, Burschen in Tweed, Kinder in Kitteln, die einen Reifen vor sich hertreiben. Ein Dienstmädchen schleppt eine Kohlenschütte nach der anderen die Treppe hoch – die alten Kamine sind bis heute in den Zimmern erhalten. Gina betrachtet das Haus als Konsumenten, der im Lauf des Jahrhunderts Graphit und Politur verschlungen hat, Brasso und Silvo (und so das Vermögen mehrte, dem Dads nun so traurig dezimierte Dividenden entsprangen). Sie sieht das Haus aber auch als Produzenten, als ein Restaurant ohne Ruhetag, aus dessen Küche ein nicht endender Strom von Frühstücken, Mittagessen und Abendessen floss, ein Haus, in dem es ein Jahrhundert lang nach Toast und Braten duftete. Die Gerüche halten sich vielleicht am hartnäckigsten; Gina steigt der besondere, für ihre eigene Familie charakteristische Geruch in die Nase, Sonntagsbraten, Coq au vin , Lancashire-Hot-Pot, Makkaroniauflauf mit Käse, Apfelstreusel.
    Diese Gerüche versetzen sie in ein vertrauteres Allersmead, das in ihrem Kopf liegt, und aus der Tiefe der Jahre treiben persönlich erlebte Momente heran, ein merkwürdiges Konglomerat flüchtiger Eindrücke, das man Erinnerung nennt. Sie alle sind mit Allersmead verknüpft, stets liefert Allersmead die Kulisse, die Räume, die Treppen, die Einrichtung, die vertrauten Plätze im Garten, die Geheimnisse im Keller, wo die Daleks vermutlich noch heute ihr Unwesen treiben.
    Ich kann’s euch nachfühlen, sagt sie zu Katie, Clare und Paul. Ich weiß genau, was ihr meint.
    Sie hat einen Stapel Maklerbroschüren dabei: bezaubernde Cottages mit pflegeleichten Gärten, kompakte Stadthäuser mit Einkaufsmöglichkeiten ganz in der Nähe, Lofts mit Stimmungsbeleuchtung aus Glasfaserlampen und maßgeschneiderten Küchen. Auf der obersten Eingangsstufe bleibt Gina stehen, dann drückt sie die Haustür auf.
    »Ich habe das Auto gehört«, ruft Alison. »War schon unterwegs.«
    E-MAIL – GINA AN SANDRA, KATIE, ROGER, CLARE
    Ich war dort. Hab’s beim Tee in der Küche so nebenbei einfließen lassen, erst mal einen Fühler ausgestreckt, eine kleine Sonde. Allersmead ist so groß und so kostspielig im Unterhalt. Vieles spricht für kleine Häuser. Hübsche Cottages.

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