Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Familienalbum

Familienalbum

Titel: Familienalbum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Lively
Vom Netzwerk:
Bilderflut, bleibt auf der Treppe stehen. »Bist du das? Auf dem Trampolin. Mit Paul?«
    »Ja und ja.«
    »Erinnerst du dich daran?«
    »Erinnern?«, fragt Gina. »Ich bin nie sicher, ob ich mich erinnere oder es nur erzählt bekommen habe. Das Foto erzählt mir, dass Paul und ich an jenem Tag Trampolin gesprungen sind. Also muss es so gewesen sein.«
    Philip sah sie an. »Was wird dir denn sonst noch so erzählt?«
    Gina lachte. »Familiengeschichte natürlich. Wie jeder sie hat. Letzten Monat haben wir in Fowey ausgewählte Auszüge aus der deinen gehört. Höchst erbaulich. Wie du deiner Schwester den Pferdeschwanz abgeschnitten hast.«
    »Reine Verleumdung«, sagte Philip. »Sie hat mich dazu aufgefordert.«
    »Nicht in der Version deiner Mutter. Aber da siehst du’s. Diese Unzuverlässigkeit ist berüchtigt.«
    Philip wandte sich von dem Trampolinfoto ab und ging die Treppe hinunter. Gina wurde immer empfänglicher für die Anzeichen, die seine Seelenverfassung verrieten, eine geradezu unheimliche Sensibilität, die sich da in Paarbeziehungen entwickelt. Sie spürte seine Aufmerksamkeit und sein Interesse, aber auch sein Unbehagen. Sie erkannte es an der Haltung seiner Schultern, am Trommeln seiner Finger auf dem Treppengeländer. Ohne sie anzusehen, steuerte er auf die Küche zu, aus der Frühstücksgerüche und -geräusche drangen: der Röstduft von Toast, das Klicken einer auf dem Unterteller abgesetzten Tasse.
    Gina hatte Kopfschmerzen. Ihr siebenjähriges Ich strahlte sie zahnlückig von der Wand her an. Sie fragte sich, ob Philip gern die Flucht ergreifen würde. Ich hab’s dir ja gesagt, murmelte sie seinem Rücken zu. Das wird eine größere Sache. Ich habe dich vorgewarnt. Seine Eltern waren unauffällig bis zur Wesenlosigkeit. Gina hatte sie reizend gefunden.
    Charles saß im karierten Morgenmantel auf einem großen, geschnitzten Stuhl am Kopfende des Tischs und las in einem Buch. Er blickte flüchtig auf, hob die Hand zu einem vagen Gruß und las weiter.
    Alison stand am Herd. »Tee oder Kaffee? Ich mache für alle, die möchten, Spiegeleier mit Speck.«
    Philip sagte, dass er mochte.
    Charles sagte, ohne von seinem Buch hochzublicken: »Dieser Kerl hat eine völlig falsche Auffassung vom Kalten Krieg. Würdest du dich der Meinung anschließen, dass der entscheidende Punkt die gegenseitig zugesicherte Zerstörung war, David?« Alison drehte sich um und lächelte Gina und Philip entschuldigend zu. »Soll ich dir dazu eine Scheibe Brot in der Pfanne mitbraten, Philip?« Alle waren Philip gegenüber schnell zum Du übergegangen.
    Charles wartete Philips Ansicht über den Kalten Krieg gar nicht ab. »Abgesehen von allem anderen hat der Mann eine völlig falsche Vorstellung von der sowjetischen Mentalität …«
    »Schreibst du eine Rezension?«, erkundigte sich Gina.
    Charles überging die Frage. Er hob die Tasse, trank und winkte mit der leeren Tasse in Richtung Ingrid. Sie griff nach der Kaffeekanne und schenkte ihm nach.
    »Charles rezensiert nicht mehr viel«, sagte Alison. »Das war immer eine recht lästige Arbeit.«
    Aus der Eingangshalle kam ein Klappern, dann ein dumpfer Aufprall. Die Zeitung war da. Charles hatte sich wieder seinem Buch zugewandt, aber jetzt streckte er die Hand aus, die Handfläche nach oben. Alison holte die Zeitung und reichte sie Charles.
    »Es gab Zeiten«, sagte Gina, »als dein Name ständig in der Sunday Times oder im Observer oder einem anderen Blatt stand. Mir war nicht bewusst, dass du Rezensieren lästig fandst.«
    Charles schlug die Zeitung auf und vertiefte sich darin.
    »Einmal Eier mit Speck«, rief Alison fröhlich. »Für dich, Philip.«
    Charles schlug mit ausladenden Bewegungen die Zeitungsseiten um und fegte dabei eine Scheibe Toast auf den Boden. »Es gab Zeiten, Gina«, sagte er, »wo du im Lokalradio Stadträte interviewt hast. Jetzt kennt man dich nur noch aus dem Fernsehen. Man zieht eben weiter.« Er lächelte; keinerlei Tadel schien beabsichtigt.
    Oder manövriert sich ins Abseits, dachte Gina. Du wirst einfach nicht mehr gefragt, oder?
    Der Hund hatte sich ruck, zuck den heruntergefallenen Toast geschnappt und sich damit unter den Tisch verkrochen.
    Ingrid ergriff zum ersten Mal das Wort. »Im Fernsehen bemerkt man die Narbe nicht. Fast gar nicht.«
    »Dazu sind die Maskenbildnerinnen schließlich da«, sagte Gina. »Ich werde ihnen dein Lob ausrichten, Ingrid.«
    Philip blickte von ihr zu Ingrid und wieder zurück. Er schien zum Sprechen

Weitere Kostenlose Bücher