Familienaufstellungen
durchgesetzt? Wie werden Gefühle kommuniziert?
In manchen Familien ist es ein Tabu, über Ängste zu reden, dafür wird ganz ungezwungen am Küchentisch über Sex gesprochen. In anderen Familien werden keinerlei Zärtlichkeiten gezeigt, aber wenn es einem schlecht geht, kann man absolut sicher mit Unterstützung rechnen. Jede einzelne Familie hat ihren eigenen Kodex, der – meist ohne dass darüber jemals gesprochen wird – festlegt, welche Gefühle erlaubt sind und wann bzw. wie über welche Themen gesprochen werden darf.
▶▶ Beispiel: Sabine und Martin sind seit drei Jahren befreundet. Weil sie immer öfter miteinander streiten, suchen sie eine Partnerschaftsberatung auf. Martin versteht Sabine nicht. Für ihn ist es unbegreiflich, warum sie fuchsteufelswild wird, wenn er ihr nicht sofort eine Antwort auf ihre Fragen gibt. »Du behandelst mich wie Luft!«, schreit sie ihn an. »Wieso fragst du mich etwas, wenn ich lese?«, antwortet Martin sichtlich erstaunt.
»Nicht nur wenn du liest, auch sonst bist du oft in Gedanken und rührst dich keinen Millimeter«, wettert sie.
Sabine stellt ihre Sicht in einer Skulptur auf. Sie stellt Martin steif stehend im Raum auf. Sie tanzt wie ein kleines Rumpelstilzchen um ihn herum und versucht ihn zu erreichen.
Martin erlebt sich in dieser Haltung als abwesend und unbeteiligt. Sabine sagt: »Ich fühle mich wie ein kleines Kind, das man einfach ignoriert.«
Über den körperlichen Ausdruck ihrer inneren Verfassung spürt Sabine hinter ihrer Wut auch Verzweiflung – es ist die Verzweiflung des kleinen Mädchens, die auch sichtbar wird, als sie auf die Frage, woher sie dieses Gefühl kennt, antwortet: »Für mich bedeutet, wenn jemand nicht reagiert, dass ich ihm egal bin. Dann ist er wahrscheinlich wütend auf mich und will mir zeigen, dass ich etwas falsch gemacht habe. Es gab Zeiten, da hat mein Vater tagelang nicht mit mir gesprochen.«
»Hattest du den Eindruck, dass du deinem Vater egal bist oder dass er auf dich wütend ist? Das ist nicht das Gleiche.« – Sabine überlegt: »Ich glaube, er tat nur so, als wäre ich ihm egal. Ich glaube, er war wütend, weil er nicht verwinden konnte, wenn ich etwas gegen seinen Willen tat, z.B. bei einer Freundin übernachten und so.«
Bisher konnte Martin nicht verstehen, weswegen Sabine so überreagiert, denn er hat ganz andere Erfahrungen in seiner Familie gemacht. Er erzählt: »Wenn bei uns zu Hause einer nicht antwortete, vor allem wenn er las, dann war klar, dass er nicht gestört werden wollte. Dann musste ich halt warten, bis mein Vater oder meine Mutter von der Zeitung aufsahen.« – »Und was hast du dann gemacht?«, fragt ihn Sabine. – »Ich bin vor meinem Vater oder meiner Mutter so lange stehen geblieben, bis sie eine Reaktion zeigten, aber das hat nie so lange gedauert.«
Dieser Ausschnitt aus einer Skulpturarbeit zeigt, welch unterschiedliche Bedeutungen ein und dasselbe Verhalten in zwei Familien haben kann und wie es in jungen Partnerschaften zu großen Missverständnissen führt. Schweigen heißt für Sabine Liebesentzug, für Martin intensiv beschäftigt sein. Solche gravierenden Unterschiede müssen die Partner klären, damit die gemeinsame Zukunft glücklich werden kann.
Single-Leben – frei von Familie?
Auch wenn eine Frau oder ein Mann sich für ein Leben als Single entscheidet, spielen die grundlegenden früheren Beziehungserfahrungen mit hinein. Viele Frauen haben erlebt, wie ihre Mütter unerträglichePartnerschaften ausgehalten oder aber nach einer Trennung gelernt haben, auf eigenen Füßen zu stehen. Männer hatten oft kein Vorbild in ihren Vätern, sodass ihnen nicht klar ist, wie eine dauerhafte Beziehung, die mehr als ein Nebeneinanderherleben sein soll, funktionieren kann. Ihnen fehlt eine lebendige Vorstellung davon, wie sie eine Zweierbeziehung aktiv gestalten können, welche Rolle sie in der Partnerschaft spielen.
Manche Frauen haben zu ihren Vätern eine – oft unbewusst – enge Verbindung oder eine unerfüllte Sehnsucht. Einen anderen Mann zu lieben würde dann einem Verrat gleichkommen. Umgekehrt gibt es auch die unbewusste starke Beziehung zwischen Sohn und Mutter, die entweder zu nah oder aber unerreichbar war, vielleicht auch durch einen vorzeitigen Tod.
Die Frage, welche Erfahrungen uns beeinflussen, stellen wir uns in der Regel erst, wenn wir mit der aktuellen Lebenssituation nicht zufrieden sind. Dann ist genau
der richtige Zeitpunkt,
um alte Beziehungsbilder zu
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