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Familienbande

Familienbande

Titel: Familienbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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annehmen.
»Das ist herrlich«, sagte er, als Mr. Flawse geendet hatte. »Etwas Besseres hätte ich mir nicht träumen lassen.«
»Ich schon«, erwiderte Mr. Flawse und zwängte sich in sein Nachthemd. »Ich muß das Miststück heiraten, um dich loszuwerden.«
»Das Miststück?« sagte Lockhart. »Aber ich dachte ...« »Die Mutter, du Dämlack«, sagte Mr. Flawse und kniete auf dem Boden nieder. »Oh Herr, Du weißt, daß ich seit neunzig Jahren von der Fleischeslust der Frauen heimgesucht werde«, rief er. »Segne Du diese meine letzten Jahre mit dem Frieden, der jedes Verstehen übersteigt, und führe mich in Deiner großen
Gnade auf den Wegen der Rechtschaffenheit zu dem Vater dieses meines Bastardenkels, damit ich das Schwein bis auf einen Zoll an sein Leben peitschen kann. Amen.«
Mit diesen aufmunternden Worten stieg er ins Bett und überließ es Lockhart, sich im Dunkeln zu entkleiden und zu überlegen, was wohl die Fleischeslust der Frauen sein mochte.
Am nächsten Morgen sah sich der Kapitän der Ludlow Castle, der die halbe Nacht mit der Suche nach dem Mann über Bord verbracht hatte und die andere Hälfte damit, die Mannschaft zu beauftragen, die Bewohner sämtlicher Kabinen zu überprüfen, um festzustellen, ob tatsächlich jemand über Bord gegangen war, dem in einen Konferenzanzug samt grauem Zylinder gekleideten Mr. Flawse gegenüber.
»Heiraten? Sie wollen, daß ich Sie heirate?« sagte der Kapitän, als Mr. Flawse nuschelnd seine Forderung vorgetragen hatte.
»Verheirate«, korrigierte ihn Mr. Flawse. »Ich möchte, daß Sie die Trauung durchführen, nicht Sie heiraten oder von Ihnen geheiratet werden. Um die Wahrheit zu sagen, das verdammte Weib will ich auch nicht heiraten, aber wenn man dem Teufel den kleinen Finger gibt, will er bekanntlich die ganze Hand.«
Der Kapitän beäugte ihn mißtrauisch. Mr. Flawses Sprache, sein Aufzug, von seinem fortgeschrittenen Alter ganz zu schweigen, deuteten auf eine Senilität hin, die eher nach den Diensten des Schiffsarztes als seinen eigenen verlangten.
»Wissen Sie auch genau, was Sie da wollen?« fragte er, als Mr. Flawse des weiteren erklärt hatte, daß nicht nur er und Mrs. Sandicott, sondern auch sein Enkel und Mrs. Sandicotts Tochter getraut werden sollten. Mr. Flawse wurde wütend. »Ich weiß ganz genau was ich will, Sir, offenbar besser, als Sie über Ihre Pflichten Bescheid wissen. Als Herr über diesen Dampfer sind Sie gesetzlich befugt, Eheschließungen und Begräbnisse durchzuführen. Korrekt?«
Der Kapitän gab dies zu, wobei er im stillen ergänzte, daß in Mr. Flawses Fall Hochzeit und Seebestattung wahrscheinlich rascher aufeinander folgen würden, als diesem lieb sein konnte.
»Aber möchten Sie nicht warten, bis wir in Kapstadt anlegen?« fragte er. »Meiner Erfahrung nach sind Kreuzfahrtromanzen in der Regel eher kurzfristige Affären.«
»Ihrer Erfahrung nach«, sagte Mr. Flawse, »mag das durchaus der Fall sein. Meiner Erfahrung nach sind sie es nicht. Wenn man bis auf zehn Jahre ein Jahrhundert durchlebt hat, muß jede Romanze zwangsläufig eine kurzfristige Affäre seih.«
»Das leuchtet mir ein«, sagte der Kapitän. »Und wie sieht Mrs. Sandicott die Sache?«
»Sie möchte, daß ich sie auf Händen trage. Meiner Meinung nach ein Ding der Unmöglichkeit, aber wenn es denn sein muß«, antwortete Mr. Flawse. »Sie will es so, und sie kann es haben.«
Weitere Einwände hatten lediglich zur Folge, daß Mr. Flawse wütend wurde und der Kapitän nachgab. »Wenn der alte Narr eine Hochzeit haben will«, sagte er später dem Schatzmeister, »kann ich ihn verflucht nochmal nicht davon abhalten. Ich könnte mir vorstellen, daß er ein Seerechtsverfahren einleitet, falls ich mich weigere.«
Und so kam es, als das Schiff sich dem Kap der Guten Hoffnung näherte, daß aus Lockhart Flawse und Jessica Sandicott Mr. und Mrs. Flawse wurden, während Mrs. Sandicott ihr lange gehegtes Ziel verwirklichte und einen steinreichen alten Mann ehelichte, der nicht mehr lange zu leben hatte. Mr. Flawse hingegen tröstete sich mit dem Gedanken, daß er sich œ welche Nachteile die ehemalige Mrs. Sandicott als Ehefrau auch aufweisen mochte œ nicht nur ein für allemal seinen Bastardenkel vom Hals geschafft, sondern auch eine Haushälterin besorgt hatte, die nie bezahlt werden mußte und nie kündigen konnte. Wie um diesen letzten Punkt zu betonen, weigerte er sich, das in Kapstadt vor Anker liegende Schiff zu verlassen, und so war es an Jessica und

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