Familienkonferenz in der Praxis
in einem neuen Licht sehen.«
Das meine ich auch, und ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass die ›Familienkonferenz‹ vielen Eltern hilft, viele Angelegenheiten des häuslichen Lebens in einem neuen Licht zu sehen: ihre Aufgabe als Eltern, die Fähigkeit ihrer Kinder, die eigenen Probleme zu lösen, die Bedeutung elterlicher Rechte innerhalb der Familie, den Wert eines demokratischen und machtfreien Klimas in der Familie und den Nutzen von Beziehungen zu den Kindern, aus denen Achtung und Liebe erwachsen. Unter solchen Bedingungen können alle Familienmitglieder ihre besten Möglichkeiten realisieren.
2. Grundlagen sind wichtiger als Techniken
U nter all den Erfahrungen, die wir gemacht haben, ist die Erkenntnis am wichtigsten, dass Eltern das theoretische Modell verstehen müssen, das der ›Familienkonferenz‹ zugrunde liegt, wenn sie zum effektiven Einsatz der erworbenen Techniken in der Lage sein sollen. Instrumente sind nicht genug – Eltern müssen wissen, wann und warum sie sie verwenden. Dazu müssen sie einiges über die Grundlagen wissen. Das ist eigentlich gar nicht so überraschend. Zum Segeln bei Wind und Wetter und auf allen Gewässern gehört mehr als nur die Fähigkeit, die Ruderpinne bedienen oder die Segel setzen zu können. Der kundige Segler muss die Grundlagen der Navigation ebenso wie die Vektortheorie beherrschen. Der Pilot, der sein Flugzeug sicher lenken will, muss sich in der Theorie der Aerodynamik ebenso wie in der der Meteorologie auskennen, ganz zu schweigen davon, dass er wissen muss, wie seine Maschine funktioniert. Die simplen Fertigkeiten, derer ein Pilot bedarf, um zu starten, einwandfrei zu fliegen und zu landen, sind nämlich so einfach, dass ein achtjähriges Kind sie lernen könnte.
Nicht anders geht es Eltern: Will man in dieser Rolle effektiv sein, braucht man gewisse Grundkenntnisse über zwischenmenschliche Beziehungen. Man muss sich im Großen und Ganzen ein Bild davon machen können, was zwischen zwei Menschen passiert, die zueinander in Beziehung stehen. Man kann seiner Aufgabe als Vater oder Mutter nur gerecht werden, wenn man sich nach irgendeiner prinzipiellen Theorie oder einem Plan richtet – Wissenschaftler nennen es ein »Modell«. Missverständnisse des Modells führen unweigerlich dazu, dass man die Techniken unangemessen einsetzt. Die Bedeutung dieses Umstandes war mir nicht so klar, als die ›Familienkonferenz‹ noch in ihren Kinderschuhen steckte. Erst
später, als ich Eltern in den Kursen beobachtete, begriff ich, wie wichtig es ist, dass sie das Modell erfassen, das der ›Familienkonferenz‹ zugrunde liegt. Vor ihrer Teilnahme an derartigen Kursen haben viele Eltern beispielsweise eines oder mehrere Bücher über Fragen des Elternverhaltens gelesen und daraus bestimmte Dinge gelernt, z. B. die Art und Weise, wie sie auf die Gefühle von Kindern reagieren müssen. Wir stellten aber fest, dass nur wenige Eltern die zugrunde liegende Theorie verstanden hatten. So waren sie nicht in der Lage zu entscheiden, wann sie eine bestimmte Technik anzuwenden hatten und wann nicht. Außerdem konnten sie nur selten erklären, warum die Technik angewendet werden sollte. In unseren Interviews mit Eltern hörten wir häufig Aussagen wie die folgenden:
»Mir war schon weitgehend bekannt, was einem in der ›Familienkonferenz‹ beigebracht wird. Doch der Kurs fasste all diese isolierten Techniken und Vorstellungen zu einer funktionierenden Einheit zusammen.«
»Die ›Familienkonferenz‹ half mir zu erkennen, was ich tat und warum ich es tat.«
»Ich glaube, dass ich jetzt verstehe, was in jeder nur denkbaren Situation geschieht, in der ich mich mit meinen Kindern befinde. Ich bin ihr gewachsen und glaube, dass ich fähig bin zu entscheiden, was getan werden muss.«
Einmal erzählte eine Mutter, wie sie ein sehr bekanntes Buch über Kindererziehung aufgenommen hatte, das sie vor ihrer Teilnahme an unserem Kurs gelesen hatte:
»Als ich das Buch von Doktor X las, gefiel mir, was man nach seinem Vorschlag Kindern sagen sollte. Es hatte Hand und Fuß. Doch dann sagten meine Kinder nicht dasselbe wie die Kinder in seinem Buch. So konnte ich niemals in der Weise antworten, die er mir empfahl.«
Eine andere Mutter begriff, wie wichtig es ist, eine Theorie zu haben – einen »methodischen Plan« nannte sie es:
»In Doktor X Buch erfährt man genau, wie das Gespräch verlaufen soll. Er gibt aber keinen methodischen Plan. Einen Handlungsplan, wissen Sie
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