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Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)

Familienpakt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Familienpakt: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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wie vor zusammen lebten, fester und vertrauensvoller liiert als je zuvor.
    Manchmal fragte er sich, ob sie es genau so sah – und wie sie ihn sah? Sein wohlgeformter Schädel war mittlerweile weitgehend kahl und wurde nur von einem kurzgeschorenen grauen Haarkranz umgeben. Das erstaunlich faltenarme Gesicht dominierten je nach Sichtweise seine Augen oder seine Nase. Letztere hatte sich das Attribut markant redlich verdient. Auf ihrem leicht gebogenen Rücken ruhte eine Brille mit schwarzem Rahmen, ein klassisches Designerstück, das neben der Platte ein Markenzeichen Kellers darstellte. Hinter den Gläsern blitzten zwei Augen, die so aufgeschlossen, neugierig, forsch und vor allem jung wirkten wie die eines 20-Jährigen.
    »Sophie?«, durchbrach Doris seine Gedankengänge. »Du fragst nach unserer Tochter?«
    »Ach, ja. Sophie. Hat sie dir auch eine Mail geschrieben?«
    »Nein. Eine Mail hat sie nicht geschrieben.«
    So, wie Doris es formulierte, sah sich Konrad zu einer Nachfrage genötigt: »Sondern?«
    Doris warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Sondern …« Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Sie wird es dir gleich selbst sagen.« Ehe Konrad begreifen konnte, klingelte es an der Wohnungstür. »Willst du nicht aufmachen?«, fragte seine Frau.
    Der Überraschungsgast ließ einen Rucksack fallen und umarmte den überrumpelten Vater mit hundert Küssen und tausend Worten. Wie aus einem Wasserfall quollen die Neuigkeiten und Fragen aus dem Mund der jungen Frau, deren Kleidung aus einem wilden Stilmix der 1970er-, 80er- und 90er-Jahre bestand, und die mit Mund, Händen und Füßen gleichzeitig zu kommunizieren schien.
    Sophie, die ihre Vorlieben, sich zu schminken, ebenso wie Haarfarben und Frisuren mit den Jahreszeiten wechselte, trat heute rötlich gelockt auf. Als sie die Eltern, die kaum zu Wort kamen, ins Wohnzimmer bugsiert hatte, wurde der jüngste Spross der Familie Keller allmählich etwas ruhiger, wollte nun aber sofort und auf der Stelle über die neuesten Familienangelegenheiten informiert werden.
    »Was gibt’s denn Neues? Man bekommt in München ja kaum etwas von euch mit. Wie läuft die Praxis von Burkhard? Wirft das Verarzten von Meerschweinchen genug für ihn und seine Family ab? Und Jochen, die alte Diva? Schleppt er noch immer die Küken ab – immerhin zählt er mit seinen 36 Jahren ja fast schon zu den Gruftis.«
    »Deinen Brüdern geht es gut, soweit wir das beurteilen können«, meinte Konrad. »Wie läuft es denn bei dir auf der Schauspielschule?«
    Sophie kicherte und vollzog einige beachtliche Bewegungsübungen mit ihren Augenbrauen. »So weit, so gut. Ich mache mein Ding wohl ganz ordentlich. Vielleicht ist demnächst sogar ein kleiner Fernsehauftritt drin.«
    »Fein, Sophie«, freute sich Doris. »Und um die Wortkargheit deines Vaters auszugleichen: Burkhard und seine Familie sind glücklich und zufrieden. Die Tierarztpraxis hat die Startschwierigkeiten überwunden. Dein Bruder hat in einen kleinen OP-Tisch und die notwendige Ausrüstung für chirurgische Eingriffe bei Vierbeinern investiert und sogar ein Sauerstoffzelt für altersschwache Sittiche und Kanarienvögel angeschafft. Kaum zu glauben, was es alles gibt! – Ja, und Jochen bleibt Jochen.«
    »Er hat sich für einen Ressortleiterposten bei der Augsburger Allgemeinen beworben«, rückte Konrad den Stellenwert seines ältesten Sohns ins rechte Licht.
    »Ups«, entfuhr es Sophie. »Das Sandwichkind bleibt in Nürnberg, den Ältesten verschlägt es nach Augsburg und das Nesthäkchen hat sein Herz an München verloren – da müsst ihr euch mit eurer elterlichen Fürsorge ja dreiteilen.«
    »Wie du weißt, gehen wir gern auf Reisen«, entgegnete Doris. »Wir könnten ja auch in die Mitte ziehen.«
    Konrad warf ihr einen skeptischen Blick zu. »In die Mitte? Etwa an die fränkische Seenplatte, nach Weißenburg an den römischen Limes?«
    »Warum denn nicht?« Doris stellte diese Frage in den Raum, ließ sie wirken und fügte nach einer Pause hinzu: »Davon abgesehen werden wir bald ohnehin nicht mehr viel zuhause sein. Wenn du pensioniert bist, holen wir all die Urlaube nach, von denen wir immer geträumt haben. Dann gibt es keinen Fall mehr, der dich in Nürnberg festhält. Dann bist du endlich frei – dann sind wir endlich frei.«
    »Eine Weile wird es dauern, bis unser Reisemobil soweit ist.«
    Sophie kicherte: »Schraubst du etwa immer noch an diesem alten VW-Bus herum?«
    »Ja«, antwortete Doris an Konrads

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