Fangonia (German Edition)
weg und äußerte seine Begeisterung durch einen Pfiff.
„Man, so sandig auch alles ist, das nenn ich mal ne Hütte!“ „Wo bleibt ihr denn?“ Muschelstaub lief die Treppe herunter und stockte beim Anblick von Joes Gesicht, das fast den ganzen Eingang ausfüllte.
„Ach so, ja, gut. Klar. Daran hab ich nicht gedacht. – Und ihr seid ganz sicher keine Riesen?“
Genau vor Dinas Nase ging ein Fenster auf. Sandfloh taumelte zurück bei ihrem Anblick, doch er fasste sich schnell wieder, und grinste sie an. Er betrachtete sie von oben bis unten. Sein Blick blieb an ihren Füßen haften.
„Reichst du mir mal bitte die Rohrmuschel da zwischen deinen Zehen? Die könnte ich gut gebrauchen!“
Dina bückte sich, hob eine zerbrochene längliche Schneckenmuschel auf, und reichte sie hinauf.
„Danke!“, knirschte Sandfloh. Mit der Muschel befestigte er das Fenster, das stets den Drang hatte, zuzufallen.
Er grinste Dina an. Sandfloh fand es sehr praktisch, dass er nicht selbst hinunterlaufen musste, um sich die Muschel zu holen. So jemand Großes konnte sich durchaus als nützlich erweisen. Er würde seine Mutter fragen, ob er das Riesenmädchen behalten durfte. Sein Grinsen wurde noch breiter. Dina fand es fast unverschämt und drehte sich weg.
~ ~ ~
Der Abend tauchte den Himmel in blasses Rosa. Dina und Joe saßen mit Muschelstaub vor der Burg im Sand und unterhielten sich. Sie mussten ihm alles erzählen: von ihrem Dorf, von ihrer Reise, von dem Sturm… Er lauschte gespannt. Er wollte alles hören, über die Menschen. Er stellte unendlich viele Fragen. Eine Welt außerhalb der Insel konnte er sich gar nicht vorstellen.
Dina und Joe hätten auch gerne Fragen gestellt, aber Muschelstaub kam ihnen immer zuvor und ließ sich ungern mit einer mageren Antwort abspeisen.
Ist das Meer bei euch genauso blau?
Nein.
Wie dressiert ihr eure Krabben?
Gar nicht.
Muschelstaub fand es äußerst sonderbar, dass die Menschen sich keine Krabben hielten, sondern vierbeinige Geschöpfe… Hunde hatte Dina sie genannt.
Sie musste für ihn einen in den Sand malen. Er hätte zu gerne einen echten gesehen. Brutus kauerte zu seinen Füßen und glotzte ihn durch seine starren Krabbenaugen an. Zärtlich strich Muschelstaub über seine Scheren.
„Ja, du bist der Beste, Brutus! Sind die Menschen alle so groß wie ihr?“
„Nein, die Erwachsenen sind noch viel größer.“ Muschelstaub rutschte argwöhnisch hin und her. Dina konnte an seinem Gesicht erkennen, dass er sie wieder für Riesen hielt.
„Erzähl uns etwas über diese Insel! Und wo kommt ihr her?“, bat Dina schnell, bevor Muschelstaub seine Skepsis erneut äußern konnte. Es wirkte.
„Wir haben schon immer auf dieser Insel gelebt, wir Sandlinge. Schon lange bevor die anderen kamen. Fangonia gehört uns.“
Sein Blick schweifte trotzig zu dem bewachsenen Hinterland.
„Welche anderen?“, fragten Joe und Dina gleichzeitig.
„Vor langer, langer Zeit tauchte das erste Boot hier auf“, flüsterte Muschelstaub. Wenn er leise sprach, knirschte der Sand zwischen seinen Zähnen umso deutlicher. Seine Kieselaugen waren weit geöffnet. „Sie waren so freundliche, kleine Wesen. – Wer höflich mit uns ist, dem begegnen auch wir mit Respekt. – Sie lebten eine Weile unter uns. Dann tauchte ein weiteres Boot auf, mit neuen Kreaturen. Bald darauf ein weiteres, und so ging es immer weiter. Bald war der Strand übervölkert. Es war einfach kein Platz mehr da für alle. Die Wesen vertrugen sich untereinander nicht, und unsere Gastfreundschaft wurde deutlich überstrapaziert.“
Muschelstaub beugte sich näher zu Joe und Dina, die gespannt lauschten.
„Dann kam das Feuer.“
„Das Feuer?“, hakte Dina nach, als Muschelstaub nicht mehr weiterredete. Er war wieder ein Stück von ihnen weggerückt und musterte sie misstrauisch.
„Ihr seid doch keine Späher, oder? Haben die Menschen euch geschickt, um das Land auszukundschaften?“
„Nein“, die Kinder schüttelten hastig die Köpfe. „Es war das Unwetter, das uns auf diese Insel gebracht hat! Wir haben die Wahrheit gesagt!“
„Gut.“ Muschelstaub atmete erleichtert auf.
„Denn es darf kein weiteres Volk auf diese Insel. Dafür hat meine Mutter gesorgt. Wir sind genug. Steht alles in der Abmachung.“
Gerade wollten sie nach der Abmachung fragen, die der Sandling nun schon zum zweiten Mal erwähnte, als Glorisanda in ihre Mitte trat.
„Es ist spät, Junge, geh in die Burg und mach dich fertig fürs
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