Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fanny Hill

Fanny Hill

Titel: Fanny Hill Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Cleland
Vom Netzwerk:
Theatern und Opern und Gebäuden und verdrehte mir damit vollends den Kopf. Ich muss heute lachen, wenn ich an das Staunen denke, womit wir armen Mädel, deren ganzer Sonntagstaat in einem groben Hemd und wollenen Röcken bestand. Esthers Putz bewunderten, ihr Atlaskleid, ihre feinen Bänderhauben, ihre silbergestickten Schuhe. Das alles, dachten wir, wächst in London, und ich wollte es auch so haben.
    Esther erzählte mir, »es hätten schon viele Mädchen vom Lande sich und ihre Verwandtschaft auf Lebenszeit glücklich gemacht; manche, die sich gut gehalten hätten, waren von ihren Herren so wohl gelitten gewesen, dass sie sie geheiratet hätten und ihnen Wagen hielten und manche wäre schon Herzogin geworden. Das sei alles Glücksache, und sie wüsste nicht, weshalb ich es nicht ebenso treffen könnte wie manche andere,« und so sagte sie noch eine Menge, was mich den Tag der endlichen Abfahrt kaum erwarten ließ.
    Niemanden hatte ich in dem Dorf: die alte Frau, die noch die einzige war, die sich um mich kümmerte, tat das ohne Zärtlichkeit, nur so aus Mitleid und Gnade. Aber sie war so freundlich, mir meine paar Habseligkeiten, die mir nach allem noch geblieben waren, in Geld umzusetzen, und bei der Abreise gab sie mir mein ganzes Vermögen in die Hand: es bestand aus einer mageren Garderobe, die sich bequem in eine Schachtel packen ließ, und aus 177 Schillingen, die ich in einem Beutel verwahrte. Nie hatte ich so viel Geld besessen, und ich konnte mir nicht denken, dass man das durchbringen könnte.
    Wir saßen in der Kutsche. Die Abschiedstränen kamen mir halb aus Betrübnis, halb aus Freude, und ist da nicht viel davon zu sagen, wie auch nicht von den Augen, die mir einige von den Passagieren machten — zu mehr ließ es Esther nicht kommen, die sehr mütterlich auf mich acht gab und für mich sorgte, was sie sich übrigens damit verrechnete, dass sie mich die Reisekosten für sie bezahlen ließ.
    Es war spät abends an einem Samstag, als wir mit dem langsamen, obgleich zuletzt mit sechs Pferden bespannten Fuhrwerk in London ankamen. Der Lärm auf den Strassen, durch die wir zu unserem Gasthof fuhren, das Gedränge der Wagen und Menschen, die vielen Häuser, all das machte mich ganz bang vor Staunen, Neugierde und Angst.
    Wir kamen in dem Gasthof an, unser Gepäck wird abgeladen und übernommen und ich denke nicht anders, so müde wie ich war, mit meiner Begleiterin unser Zimmer aufzusuchen, als Esther, die während der ganzen Reise so lieb zu mir war, plötzlich ganz fremd und kühl gegen mich ist, geradeso als fürchtete sie, ich könnte ihr zur Last werden. Stellen Sie sich meine Bestürzung vor ! Anstatt mir, die ich doch ganz fremd und ohne einen Menschen in London war, ihren fernern Beistand anzubieten, auf den ich mich doch verlassen hatte, schien sie es völlig genug zu finden, mich begleitet zu haben und küsst mich und verabschiedet sich von mir. Ich war so verwirrt, dass ich kein Wort sagen konnte und stand stumm und wie betäubt. Esther meinte wohl, der Abschied ginge mir nahe, und so wollte sie mich damit trösten, dass sie mir gute Ratschläge gab, bald eine Stellung zu suchen, die ich ja leicht finden würde, und inzwischen ein besonderes Logis zu nehmen; ich solle sie dann wissen lassen, wo ich wohne, falls sie mich aufsuchen wolle; und wünschte mir noch viel Glück und dass ich brav bleibe und meinen Verwandten keine Schande machen solle, und sie müsse in ihre Stellung zurück. Damit ging sie und ich war allein und verlassen in dem kleinen Zimmer und heulte mir den Schmerz von der Seele, worauf mir leichter wurde, obgleich sich meine Lage doch in nichts gebessert hatte und ich nicht wusste, was anfangen.
    Ein kleiner Kellnerjunge trat ein und fragte mich kurz, was zu meinem Verlangen wäre. Ich antwortete ganz ohne zu denken: Nichts, und wünschte nur zu wissen, wo ich diese Nacht schlafen könnte. Der Junge sagte, er wolle mit der Frau reden, die auch nach einer kleinen Weile kam. Ohne sich irgendwie um meine Situation zu kümmern, sagte sie nur ganz trocken, ich könne für einen Schilling ein Bett haben und morgen könne ich ja dann meine Bekannten aufsuchen. Meine Bekannten!
    Der stärkste Kummer greift zu seinem Troste nach den erbärmlichsten Gründen:
Die bloße Zusicherung eines Nachtlagers war imstande, mich zu beruhigen; und da ich mich schämte, der Wirtin zu gestehen, dass ich in London keinen Menschen habe, nahm ich mir vor, gleich am nächsten Morgen in ein

Weitere Kostenlose Bücher