Farben der Sehnsucht
zu Hause gleich nehmen würde. Sie bog nach links in die Blythe Lane ein, eine breite, kopfsteingepflasterte Straße, die von schicken Modeboutiquen und teuren Spezialitätenläden gesäumt wurde. Vor jedem der Geschäfte stand eine große Topfpalme, und jeder Eingang wurde von einem grünen Vordach überwölbt.
Wieder einmal stellte sie mit Erstaunen fest, wie sehr sich das Geschäftsviertel in den letzten Jahren verändert hatte. Der Bevölkerungsboom hatte zwar zunächst einen Aufschrei des Entsetzens unter den alteingesessenen Bürgern von Bell Harbor hervorgerufen; doch die Klagen waren schon bald verstummt, als die Immobilienpreise in die Höhe zu schießen und der am Hungertuch nagende Einzelhandel sich fast über Nacht in gewinnbringende Kleinunternehmen umzuwandeln begann.
Um weitere wohlhabende Steuerzahler anzuziehen, nutzte der Stadtrat die großzügige Stimmung seiner Einwohner, um eine Reihe von sündhaft teueren Projekten zur Modernisierung und Verschönerung der Stadt durchzuboxen. Auf Drängen der ehrgeizigen und einflußreichen Ehefrau von Bürgermeister Blumenthal wurde ein Architektenteam aus Palm Beach angeheuert, das sich unverzüglich daran machte, das Gesicht Bell Harbors zu verändern.
Langsam, aber sicher war Bell Harbor so zu einer sorgfältig strukturierten, wohlhabenden und durchaus charmanten Stadt geworden, die immer mehr Ähnlichkeit mit Palm Beach bekam - und genau das war Mrs. Blumenthals Absicht gewesen. Nachdem das Geschäftsviertel mehr oder weniger fertiggestellt war, hatte sie ihre Aufmerksamkeit nun den Verwaltungsgebäuden - und zuallererst dem Rathaus -zugewandt.
Der Verkehr war ziemlich dicht, und es dauerte fast fünfzehn Minuten, bis Sloan in ihre Straße einbog und schließlich in der Einfahrt ihres grau-weißen, stuckverzierten Häuschens den Motor abstellte. Vom Strand, der gleich auf der anderen Straßenseite lag, drang nicht nur das Lachen und Rufen der spielenden Kinder, sondern auch das beruhigende Rauschen der Brandung zu ihr herüber.
Sie fand nichts Ungewöhnliches daran, daß einen halben Block von ihr entfernt eine blaue Limousine hinter einem Lieferwagen hielt. Es war ein ganz normales Wochenende in der Urlaubszeit, und der Strand war in dieser Zeit des Jahres viel besucht.
Als Sloan ihre Eingangstür aufschloß, fragte sie sich schon gespannt, wie der Krimi weiterging, dessen Lektüre sie später im Bett wieder aufnehmen würde. Sara hatte kein Verständnis dafür, daß Sloan einen Samstagabend lieber mit einem guten Buch als mit einem Rendezvous verbrachte, aber Sara haßte es generell, allein zu sein. Sloan hingegen verbrachte ihre Zeit lieber allein als in der Gesellschaft von Menschen, denen sie nichts zu sagen hatte.
Sie war froh, daß sie erst wieder am morgigen Nachmittag zum Dienst antreten mußte, um ihren Selbstverteidigungskurs zu leiten.
4
Das Polizeirevier befand sich in der neugebauten Stadtverwaltung, einem dreistöckigen, in makellosem Weiß gehaltenen Gebäude mit Stuckverzierung und rotem Ziegeldach, um das sich eine weitläufige, anmutig geschwungene Loggia rankte. Die saftiggrüne Rasenfläche, die mit Palmen bestanden war und nachts von Gaslaternen beleuchtet wurde, trug das Ihrige dazu bei, um die Anlage zum unangefochtenen architektonischen Schmuckstück von Bell Harbor zu machen.
Im dritten Stock befanden sich die eichengetäfelten Gerichtssäle und Versammlungsräume, während im zweiten das Büro des Bürgermeisters und das Einwohnermeldeamt untergebracht waren. Der Großteil des Erdgeschosses hingegen war für die Polizeiwache vorgesehen und im Vergleich zu den anderen hochherrschaftlichen Räumen eher stiefmütterlich behandelt worden.
Die Inneneinrichtung hatte man Saras Firma übertragen, und ihr Stil war im großzügig ausgestatteten Büro des Bürgermeisters und in den Gerichtssälen, deren Stühle mit der in Dunkelblau und Beige gehaltenen Polsterung perfekt auf den Teppich abgestimmt waren, unverkennbar.
Für den Bereich, der dem Polizeirevier Vorbehalten war, hatten Sara und ihre Kollegen allerdings nur ein verhältnismäßig niedrig bemessenes Budget und strenge Vorgaben erhalten, die ihrer Kreativität nicht viel Raum gelassen hatten.
In der Mitte des Großraumbüros befanden sich dreißig in drei Reihen aufgestellte Schreibtische, von denen jeder mit einem Computer, einem Aktenschränkchen, einem Drehsessel und einem Besucherstuhl ausgestattet war. Hinter der Glaswand an der Vorderseite des Raumes lagen die
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