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Farm der Tiere

Farm der Tiere

Titel: Farm der Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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langen Jahren Mr.Jones Geheimagent gewesen zu sein. Als sie ihr Geständnis abgelegt hatten, zerfleischten ihnen die Hunde augenblicklich die Kehlen, und mit fürchterlicher Stimme verlangte Napoleon zu wissen, ob nicht noch ein Tier etwas zu beichten habe.
    Die drei Hennen, die die Rädelsführerinnen bei der versuchten Rebellion gegen die Eierlieferungen gewesen waren, meldeten sich jetzt und sagten aus, daß Schneeball ihnen im Traum erschienen war und sie dazu aufgewiegelt hatte, Napoleons Befehle zu mißachten.
     
    Auch sie wurden hingemetzelt. Dann meldete sich eine Gans und gestand, während der letztjährigen Ernte sechs Kornähren unterschlagen und nachts aufgefressen zu haben. Dann gestand ein Schaf, sein Wasser - angeblich von Schneeball dazu gedrängt - in der Tränke gelassen zu haben, und zwei andere Schafe gestanden, einen alten Widder, einen besonders ergebenen Anhänger Napoleons, ermordet zu haben, indem sie ihn in einem fort um ein Gartenfeuer herumjagten, während er an Husten litt. Sie alle wurden auf der Stelle hingeschlachtet.
    Und so ging die Geschichte von Geständnissen und Hinrichtungen fort, bis ein Leichenhaufen vor Napoleons Füßen lag und die Luft schwer vom Blutgeruch war, den man seit Jones' Vertreiben dort nicht mehr gekannt hatte.
    Als alles vorüber war, schlichen sich die übrigen Tiere, bis auf die Schweine und die Hunde, gemeinsam davon. Sie waren erschüttert und fühlten sich elend. Sie wußten nicht, was empörender war - der Verrat der Tiere, die sich mit Schneeball verbündet hatten, oder die grausame Vergeltung, deren Zeuge sie eben geworden waren. In den alten Tagen hatte es oft ein ebenso schreckliches Blutvergießen gegeben, doch es schien ihnen allen, daß es jetzt viel schlimmer war, wo es in ihren eigenen Reihen geschah. Seit Jones die Farm verlassen hatte, war bis heute kein Tier von einem anderen getötet worden.
    Nicht einmal eine Ratte. Sie waren die kleine Hügelkuppe hinaufgezogen, wo die halbfertige Windmühle stand, und einmütig lagerten sich alle hin, so als kuschelten sie sich wärmend aneinander - Kleeblatt, Muriel, Benjamin, die Kühe, die Schafe und eine ganze Schar Gänse und Hühner - eigentlich alle, bis auf die Katze, die plötzlich verschwunden war, kurz bevor Napoleon die Tiere zusammenrief. Eine ganze Weile sagte niemand etwas. Nur Boxer blieb stehen. Er tänzelte auf und ab, peitschte sich mit dem langen, schwarzen Schweif die Flanken und gab von Zeit zu Zeit ein leises, erstauntes Wiehern von sich. Schließlich sagte er:
    »Ich verstehe das nicht. Ich hätte nicht geglaubt, daß auf unserer Farm solche Dinge passieren könnten. Der Fehler muß irgendwo bei uns selbst liegen. Die Lösung heißt, so wie ich das sehe, noch härter zu arbeiten. Von jetzt an werde ich morgens eine ganze Stunde früher aufstehen.«
    Und er zockelte in seinem schwerfälligen Trab in Richtung Steinbruch davon. Dort angelangt, belud er den Karren zweimal hintereinander mit Steinen und zerrte ihn zur Windmühle, ehe er sich zur Ruhe begab.
    Die Tiere kuschelten sich wortlos um Kleeblatt. Die Hügelkuppe, auf der sie lagen, gewährte ihnen eine n weiten Ausblick über das Land. Der größte Teil der Farm der Tiere lag vor sie hingebettet - die lange Weide, die sich bis zur Hauptstraße dehnte, die Wiese, das Gehölz, die Tränke, die gepflügten Felder, wo der junge Weizen dicht und grün stand, und die roten Dächer der Farmgebäude mit dem Rauch, der sich aus ihren Schornsteinen kräuselte. Es war ein klarer Frühlingsabend. Die waagrecht einfallenden Strahlen der Sonne vergoldeten das Gras und die knospenden Hecken. Nie war den Tieren die Farm - und mit einiger Überraschung entsannen sie sich, daß es ihre eigene Farm, jeder Zoll davon ihr Eigentum war - so begehrenswert erschienen. Als Kleeblatt die Hügelflanke hinunterblickte, traten ihr Tränen in die Augen.
    Hätte sie ihre Gedanken aussprechen können, würde sie gesagt haben, daß es dies nicht war, was sie erstrebt hatten, als sie vor Jahren darangegangen waren, den Sturz der menschlichen Rasse zu betreiben. Diese Greuelszenen und dieses Gemetzel waren es nicht, dem sie in jener Nacht freudig entgegengesehen hatten, als sie Old Major zum erstenmal zur Rebellion aufstachelte.
    Wenn sie selbst je ein eigenes Bild von der Zukunft gehabt hatte, so war es das einer von Hunger und Peitsche befreiten Gemeinschaft von Tieren gewesen, wo alle gleich waren, jeder nach seinem Vermögen arbeitete, und wo der Starke den

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