Farmer, Philip José - Flusswelt 04
möglich sein, daß ich, der ich gerne hochprozentigen Alkohol trinke, seine Wirkung weniger stark spüre. Dann wäre ich Ihnen gegenüber im Vorteil.«
»Wir werden sehen«, sagte de Bergerac lächelnd. »Würden Sie nun die Freundlichkeit haben und hinter der Theke hervorkommen, damit wir unseren kleinen Disput weiterführen können?«
»Aber gewiß doch«, sagte Burton. Er umrundete die Theke. Warum sollte er nicht einen Sturmangriff versuchen? Aber wenn er den Franzosen verfehlte oder abgeschmettert wurde, konnte er die Balance verlieren und war der gegnerischen Klinge hilflos ausgeliefert. Andererseits war aber auch nicht auszuschließen, daß er nahe genug an de Bergerac herankam.
Nein. Wäre ihm ein solcher Gedanke auch ohne drei Unzen Alkohol in der Blutbahn gekommen? Nein. Er wollte es lieber vergessen.
Was aber würde geschehen, wenn er blitzschnell die Flasche an sich riß und sie dem Franzosen im Augenblick des Angriffs entgegenschleuderte? Sein Gegenspieler mußte sich dann ducken. Vielleicht würde er dann das Gleichgewicht verlieren.
Als Burton auf der Höhe der auf der Theke stehenden Flasche war, hielt er an. Während de Bergerac abwartete, musterte er die Flasche mit einem kurzen Blick. Dann öffnete er die linke Hand und ließ einen Seufzer hören.
Der Franzose lächelte und verbeugte sich kurz.
»Mein Kompliment, Monsieur. Ich habe gehofft, daß Sie dem Reiz, etwas Unehrenhaftes zu tun, widerstehen werden. Was wir hier tun, kann nur die Klinge allein entscheiden. Es spricht für Sie, daß Sie dies eingesehen haben. Ich erweise Ihnen als dem besten Duellanten, dem ich je gegenüberstand, meine Hochachtung. Und ich habe mich mit vielen guten Leuten geschlagen. Es ist traurig, wirklich traurig und äußerst bedauerlich, daß wir die einzigen sind, die dieses glorreiche Duell, das niemand nirgendwo je übertreffen wird, sehen können! Welch eine Schande! Oh, nein, es ist keine Schande. Es ist eine Tragödie! Die Welt verpaßt ziemlich viel!«
Burton bemerkte, daß de Bergeracs Zunge ein wenig schwerer klang als zuvor. Das war zu erwarten gewesen. Aber übertrieb der listige Franzose die Wirkung des Alkohols auf ihn vielleicht nur, um Burton zu einer Unvorsichtigkeit zu verleiten?
»Ich bin grundsätzlich Ihrer Meinung«, sagte er. »Vielen Dank für Ihre Komplimente. Auch ich muß Ihnen sagen, daß Sie der größte Fechter sind, dem ich je begegnete. Allerdings haben Sie sich vor kurzem über meine Langatmigkeit ausgelassen, Monsieur. Wenn ich auch glaube, daß Sie mir in der Kunst des Fechtens ebenbürtig sind, so muß ich doch sagen, daß Sie mich in puncto Geschwätzigkeit noch bei weitem übertreffen.«
Der Franzose lächelte. »Mit der Zunge bin ich ebenso flink wie mit dem Schwert. Ich habe den Lesern meiner Bücher und jenen, die meiner Stimme lauschten, sicher ebensoviel Vergnügen bereitet wie denen, die mich kämpfen sahen. Ich vergaß wohl, daß Sie ein zurückhaltender Angelsachse sind, Monsieur. Fortan werde ich also nur noch meine Klinge sprechen lassen.«
»Das glaube ich Ihnen unbesehen«, sagte Burton. »En garde!«
Und erneut klirrten die Degen aufeinander, wehrten sich ab und holten zum Gegenschlag aus. Beide Kämpfer verfügten über eine perfekte Deckung, beide hielten den richtigen Abstand zueinander ein, trafen zur richtigen Zeit die richtigen Entscheidungen, sahen die Vorgehensweise des anderen voraus und ergriffen daraufhin die richtigen Maßnahmen.
Burton fühlte die Auswirkungen der Erschöpfung und des Alkohols und wußte, daß sie ihn verlangsamten und seine Urteilskraft beeinträchtigten. Seinem Gegner schien es allerdings kaum besser zu gehen.
Und dann, als Burton einen Vorstoß des Franzosen gegen seinen linken Oberarm parierte und die Spitze seines eigenen Degens de Bergeracs Bauch zu treffen versuchte, sah er, daß irgend jemand über die große Treppe auf den Eingang des Salons zukam. Er machte einen großen Sprung zurück und schrie: »Stop!«
De Bergerac sah, daß Burton an ihm vorbeischaute. Um zu verhindern, daß er einem Trick auf den Leim ging, entfernte er sich ebenfalls rückwärts von seinem Gegenspieler. Erst jetzt fiel ihm auf, daß das Wasser bereits unter der Saaltür hereinfloß.
Schwer nach Atem ringend, sagte er: »Oha! Das Schiff hat bereits ziemlich viel Wasser geschluckt, Monsieur Burton. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wir sollten der Sache ein schnelles Ende bereiten.«
Burton fühlte sich ungeheuer müde. Sein Atem ging
Weitere Kostenlose Bücher