Farmer, Philip José - Flusswelt 04
Dieser Duplikatkörper wäre zwar intelligent, besäße aber kein Ego. Das mit ihm verbundene Wathan ist derjenige, der über ein Eigenbewußtsein verfügt. Dies müßte es aber erst dann erlangen, wenn es sich auf den Körper abgestimmt hat.
Ohne Wathan hätten die Menschen sich zwar vom Affen aus weiterentwickelt haben, eine Sprache besitzen und Wissenschaften und Technologien betreiben, aber keine Religionen haben können. Sie wüßten nicht mehr über das Ich wie eine Ameise.«
»Was für eine Sprache würde das sein?« fragte Frigate. »Ich meine, versucht euch mal eine Sprache vorzustellen, die keine Personalpronomen kennt. Offen gesagt, ich glaube nicht, daß jemand mit solchen Voraussetzungen überhaupt eine Sprache entwickeln würde. Auf jeden Fall würde sie keiner ähneln, die wir kennen. Solche Menschen wären kaum mehr als hochintelligente Tiere. Lebende Maschinen, die sich nur weniger auf ihren Instinkt verließen als Tiere.«
»Darüber sollten wir später reden.«
»Yeah, aber was ist mit den Schimpansen?«
»Sie müssen ein rudimentäres Wathan gehabt haben, das sich seines Egos auf einem niedrigen Niveau bewußt war. Man hat allerdings nie beweisen können, ob Affen eine Sprache oder ein Bewußtsein besaßen.
Das Wathan selbst kann nur dann ein Bewußtsein entwickeln, wenn es einen Körper hat. Wenn der Körper nur mit einem verkümmerten Gehirn ausgestattet ist, ist auch das Wathan verkümmert. Deswegen kann es auch nur ein ziemlich niedriges ethisches Niveau erreichen.«
»Nein!« sagte Frigate. »Jetzt verwechselst du Intelligenz mit Moralempfinden. Wir haben doch wohl beide zu viele Leute kennen gelernt, die über eine hohe Intelligenz verfügten und gleichzeitig moralisch verwerfliche Standpunkte vertraten – und umgekehrt –, um zu glauben, daß ein hoher Intelligenzquotient auch ein hohes Moralempfinden mit sich bringt.«
»Jaaa, aber du vergißt dabei den Willen!«
Sie betraten einen weiteren Liftschacht. Burton warf einen Blick in den Schacht hinab.
»Auch nichts.«
Während Burton die Rolle des Sokrates wieder aufnahm, gingen sie weiter.
»Der Wille. Wir müssen davon ausgehen, daß er nicht völlig frei ist. Er wird beeinflußt von Ereignissen, die sich außerhalb und innerhalb seiner Umgebung abspielen. Körperliche oder geistige Verletzungen, Krankheiten, chemische Veränderungen und so weiter, können den Willen einer Person verändern. Es ist nicht auszuschließen, daß ein Irrer, bevor er anfing, andere zu foltern oder zu töten, ein guter Mensch war, bevor ihn irgendeine Krankheit oder Verletzung zu dem machte, was er nun ist. Psychologische oder chemische Faktoren können aus jemandem eine gespaltene Persönlichkeit, einen geistigen Krüppel oder ein Ungeheuer machen.
Ich vermute, daß das Wathan mit dem Körper so eng verbunden ist, damit es dessen geistige Veränderung reflektiert. Ein mit einem Idioten oder Schwachsinnigen verbundenes Wathan ist selbst idiotisch oder schwachsinnig.
Die Ethiker haben die Idioten und Schwachsinnigen – vorausgesetzt, unsere Spekulationen entsprechen den Tatsachen – deswegen anderswo wieder zum Leben erweckt, weil sie eventuell eine Spezialbehandlung erfahren. Ihre wissenschaftliche Medizin wird den Behinderten zu voll entwickelten Gehirnen verhelfen. Auch sie werden dann über Wathans verfügen, deren Potential groß genug ist, sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden.«
»Oder dafür«, sagte Nur, »zu einem Über-Wathan zu werden und in Gott aufzugehen. Ich habe dir äußerst genau zugehört, Burton, aber mit dem meisten, das du gesagt hast, bin ich nicht einverstanden. Du erweckst zum Beispiel den Eindruck, als würde Gott sich nicht um seine Seelen scheren. Er würde nicht zulassen, daß sie als Dinge ohne Bewußtsein durch den Raum schweben. Er hat für jeden einzelnen Vorsorge getroffen.«
»Vielleicht schert er sich – falls es ihn gibt – wirklich nicht um sie«, sagte Burton. »Auf jeden Fall gibt es keinen Gegenbeweis dafür.
Aber egal. Ich behaupte, daß ein menschliches Wesen ohne Wathan keinen freien Willen hat. Ich meine damit die Fähigkeit, zwischen moralischen Alternativen wählen zu können, sich körperlichen Verlangen, der Umwelt und persönlichen Neigungen zu entsagen und sich selbst an den Haaren aus allem herauszuziehen. Nur das Wathan verfügt über einen freien Willen und ein Existenzbewußtsein, wenngleich es dies, wie ich zugeben muß, mit dem Körper als Vehikel ausdrücken muß. Wathan
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