Farmer, Philip José - Flusswelt 05
Gefährten hatten dieses Phänomen zwar dann und wann erwähnt, waren aber nicht näher darauf eingegangen. Soweit er wußte, hatte nur er darüber nachgedacht. Es schockierte ihn, als Frigate erwähnte, sie seien erst ein paar
Monate hier. In Wirklichkeit waren fast sieben Monate verstrichen. Burton hatte sich ein paar Wochen davor gedrückt, seine Privatwelt zu betreten. Hatte er jedenfalls gesagt. In Wirklichkeit waren es zwei Monate gewesen.
Daß sie den Kalender nicht mehr beachteten, half ihnen - und auch ihm selbst
- dabei, den Fluß der Zeit zu ignorieren. Sie hätten dem Computer auftragen können, jeden Morgen den Monat und Tag auf einem Wandbildschirm zu verkünden, aber hier, wo die Zeit nicht mehr Bedeutung hatte als seinerzeit für Homers Lotusesser, hatten sie darauf verzichtet. Sie hätten erschüttert sein müssen, als Turpin ankündigte, er wolle Weihnachten feiern, aber sie hatten keinen Anhaltspunkt mehr, anhand dessen sie das Verstreichen der Zeit hätten messen können.
Es war der nachlässige Umgang mit dem Zeitfluß, diese super-manana- Einstellung, die sie veranlaßt hatte, etwas zurückzustellen, das sie eigentlich schon kurz nach ihrer Ankunft hatten tun wollen: die Wiederbelebung jener Gefährten, die auf dem Weg zum Turm gestorben waren. - Joe Miller, der Ti-tanthrop; Loghu; der Neanderthaler Kazz; Tom Mix, Umslopogaas, John Johnston und viele andere. Ihre Mitstreiter hatten ein Recht darauf, zum Turm gebracht zu werden, und die acht, die es geschafft hatten, hatten sie auch holen wollen. Sie sprachen dann und wann darüber, wenn auch nicht zu oft. Irgendwie, aus den verschiedensten Gründen, schoben sie es immer wieder hinaus.
Nur konnte sich nicht herausreden, wie die anderen vom Mühlstein der Zeit zermahlen worden zu sein. Auch er hatte diese äußerst wichtige Aufgabe nicht in Angriff genommen. Es traf zwar zu, daß er mit verschiedenen Forschungsprojekten beschäftigter gewesen war als sie, aber der Computer würde kaum länger als eine halbe Stande brauchen, um sie ausfindig zu machen (wenn sie gefunden werden konnten), und ein paar Minuten, um alle Vorkehrungen für ihre Wiederbelebung zu treffen.
Wenn man eine Million Jahre gelebt hätte, kam es einem dann vor, als hätte die Kindheit siebenhundertundfünfzigtausend Jahre gedauert? Und würden einem die letzten zweihundertundfünfzigtausend Jahre lediglich wie ein Jahrhundert vorkommen? Könnte der Verstand sich selbst einen dermaßen gigantischen Streich spielen?
Objektiv gesehen floß die Zeit stets mit der gleichen Geschwindigkeit. Eine Maschine, die die täglichen Unternehmungen der Leute im Flußtal beobachtete, würde sehen, daß sie jeden Tag für die gleichen Aktivitäten die gleiche Zeitspanne benötigten. Aber hatte sich im Innern dieser Leute die Zeit nicht beschleunigt? Und würden sie nicht von Tag zu Tag immer weniger tun? Vielleicht nicht bei äußerlichen körperlichen Tätigkeiten wie dem Einnehmen des Frühstücks, des Badens, der Körperertüchtigung und dergleichen. Aber was war mit den geistigen und gefühlsmäßigen Prozessen? Wären sie verlangsamt? Würde nicht auch der Prozeß, sich zu wandeln, das Ziel, das die Ethiker offen-bar für sie vorgesehen hatten, immer langsamer ablaufen? Sollte dies der Fall sein, hätten die Ethiker ihnen mehr als einhundert Jahre zugestehen müssen, um die moralische und geistige Beinahe-Perfektion zu erreichen, die zum Voranschreiten nötig war.
Es gab jedoch einen unwiderlegbaren realistischen Grund, warum einhundert Jahre die Grenze für die Menschen waren. Die Energie, die man benötigte, um die Gräle zu füllen, wurde der Wärme des geschmolzenen Nickel-Eisen-Kerns dieses Planeten entzogen. Die zur Verfügung stehende Energie war zwar gewaltig, aber auch der Verbrauch. Die Ethiker hatten möglicherweise ausgerechnet, daß einhundert Jahre für die Menschen, die von 100.000 v. Chr. bis 1983 n. Chr. gelebt hatten, und einhundert Jahre für die nächste Gruppe, all jene, die nach 1983 n. Chr. gelebt hatten, die abzapfbare Energie verzehren würden. Bei der Wärme, die die thermionischen Konverter abzogen, würden zweihundert Jahre den Kern bis zu jenem Punkt auskühlen, an dem er nicht mehr den Erfordernissen entsprach.
Loga, der Ethiker, hatte den Energiemangel nie erwähnt. Er mußte davon gewußt, und dieses Wissen mußte Abscheu und Schuld in ihm erzeugt haben. Dann war Nur auf diesen Gedanken gekommen und hatte den Computer angewiesen, ihm die Berechnung
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