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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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was?“
    Sie wirkte unsicher, als hätte sie Angst, er könne
sie auslachen. „Sicher.“ Er merkte, dass sie noch immer misstrauisch war. „Sehr
gern sogar.“
    Anne-May nickte erleichtert. Auf der Station gab es
neben Mikado noch das Leiterspiel, Scrabble und Dame. Sie setzten sich in ihr
Zimmer und spielten. Francis hatte seit Jahren keine Brettspiele angerührt,
aber er stellte fest, dass es ihm Spaß machte. Er mochte diese ruhige Art der
Geselligkeit, das Gefühl, nicht viel reden zu müssen, und das Geräusch, wenn
man würfelte oder seine Spielfigur ein paar Felder nach vorne schob. Auch
Anne-May wirkte zufrieden. Manchmal sah sie ihn an, und als sie ihn besiegt
hatte, pustete sie sich das Haar aus dem Gesicht und lächelte. Sie hatte schöne
weiße Zähne, die immer aufblitzten, wenn sie den Mund öffnete.
    Nach einer Stunde stand Francis auf. „Ich muss dann
mal gehen.“
    Anne-May nickte. „Wie heißt du eigentlich?“
    „Francis Dean.“
    „Francis“, wiederholte sie. „Bis morgen?“
    „Bis morgen!“
    Als er nach Hause kam, war es schon dunkel. Im
Trailer roch es nach Essensresten, Rauch und Schweiß. Francis knipste das Licht
an und ging in sein Zimmer. Es war so schmal, dass darin nur die Matratze und
sein Computer Platz hatten, noch nicht einmal ein Schreibtisch oder Schrank.
Seine Klamotten bewahrte er in einem Leinensack am Eingang auf. Er erinnerte
sich, wie sie hierhergezogen waren und er die meisten seiner Sachen
aussortieren musste. „Es ist doch nur für eine kurze Zeit“, hatte seine Mutter
damals gesagt, als er deshalb geweint hatte. Doch jetzt machte es ihm nichts
aus. Seine Katze kam zu ihm gelaufen, er hob sie in die Luft und rieb seine
Nase an ihrer, dann schob er ein TV -Dinner
in die Mikrowelle und aß zu Abend. Ab und an dachte er an Anne-May, und dann
musste er lächeln.
     
    5
     
    In den nächsten Wochen hatte Francis das Gefühl,
dass der Klinikaufenthalt seiner Mutter für ihn fast wie Urlaub war. Für ein,
zwei Monate war alles geregelt, endlich einmal musste er sich um nichts
kümmern, das taten jetzt die Ärzte und Schwestern. Es gefiel ihm auch, zu Hause
selbst für alles verantwortlich zu sein. Er hatte den Trailer geputzt und
aufgeräumt, Wäsche gewaschen und das Scharnier der Küchentür repariert. Abends
aß er vor dem Fernseher, die Katze schnurrend auf seinem Schoß. Tagsüber
besuchte er seine Mutter und brachte ihr Anziehsachen, Blumen oder den Reader's Digest mit. Er
versuchte mit ihr Gespräche zu führen, doch sie antwortete kaum.
    Mit Anne-May verstand er sich dafür inzwischen richtig
gut. Ihr früheres Misstrauen war verschwunden, jetzt unterhielt sie sich gern
mit ihm oder lachte, wenn er bei Scrabble ein ausgedachtes Wort legen wollte.
Dazu hatte sie sich angewöhnt, ihn mit seinem Nachnamen anzureden. „Gib's auf, Dean“, sagte
sie, wenn sie ihn beim Damespielen besiegt hatte.
    Allerdings war sie auch ziemlich launenhaft. Es gab
Tage, da sprach sie kaum, und bei einem seiner Besuche schien sie sogar wütend
auf ihn zu sein. „Gestern bist du mir im Traum erschienen“, sagte sie. „Aber
das war widerlich.“
    „Wieso, was hab ich gemacht?“
    „Du hast dich von hinten an mich rangeschlichen,
dann hast du mich umgedreht, mir mit der Zunge übers Gesicht geleckt und
Affenlaute von dir gegeben.“
    „Ich geb zu, das klingt ganz nach mir.“
    Anne-May schüttelte sich angeekelt. „Wehe, du machst
so was noch mal, Dean. Dann will ich dich hier nie wieder sehen.“
    Sie spielte weiter die Wütende und verzog keine
Miene; es war ihre Art, ihn zu necken. Dann fragte sie ihn, was er selbst
träumen würde.
    Francis erzählte ihr, dass er in seiner Kindheit
zwei Träume gehabt habe, die anders als alle anderen gewesen seien. Einmal habe
er geträumt, dass Ryan Wilco nicht sein richtiger Vater sei, es habe sich
einfach wahr angefühlt, und deshalb sei er später auch kaum mehr
überrascht gewesen, als er erfahren habe, dass es stimme.
    „Und der andere Traum?“, fragte sie.
    Doch Francis schüttelte den Kopf. Der andere Traum
erschien ihm selbst zu albern. Er stand darin vor einer Roulettescheibe in
Las Vegas. Mal setzte er auf Rot, mal auf Schwarz, und immer gewann er. Am Ende
war er reich.
    Auch dieser Traum hatte sich unglaublich wahr angefühlt
und war in den Jahren danach häufig wiedergekehrt.
    „Na, dann eben nicht“, sagte Anne-May und ging zu ihrem cd -Player. Kurz darauf saßen sie wie so oft nebeneinander
auf dem Bett und hörten

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