Faulspiel (German Edition)
patrouillierten bis an die Zähne bewaffnet mit Macheten und Schusswaffen durch das Gefangenenlager. Die Luceros waren hier das Gesetz.
Fast täglich wurde in einem der Pavillons ein toter Häftling gefunden. Entweder hatte man ihm mit einer Machete den Kopf abgeschlagen oder man hatte ihm eine Kugel verpasst. Mit diesen Morden wurde jeglicher Widerstand der übrigen Häftlinge gebrochen.
Los Teques war ein Verlies, ein Kerker, in dem man sich keine Angst oder Furcht leisten konnte. Wer Angst hatte, verlor früher oder später den Verstand, und das kam seinem Todesurteil gleich.
Schon seit geraumer Zeit wurde der Deutsche von einer Gruppe Häftlingen beobachtet. Sie musterten in abschätzend und diskutierten darüber, wie viel Geld man ihm wohl abknöpfen könnte.
Lahme hatte längst bemerkt, dass sie ihn beobachteten. Dieses asoziale Pack! Vor dem hatte er keine Angst! Von diesem Haufen Schwuchteln ließ er sich nicht einschüchtern! Der Polizist, der ihn verhört hatte, hatte ihm versprochen, dass er in eine andere Anstalt verlegt würde. Und das sollte nicht mehr sehr lange dauern. Ein paar Tage vielleicht noch. Das würde er auch noch überstehen!
Mehrere Wärter stürmten plötzlich mit gezogenen Waffen in den Pavillon und trieben die Gefangenen vor sich her nach draußen in den weitläufigen Gefängnishof. Alle mussten sich in einer Reihe aufstellen. Beim morgendlichen Appell war aufgefallen, dass die Häftlinge nicht vollzählig waren. Drei von ihnen fehlten, und inzwischen hatte man sie mit zerschossenen Köpfen in einer Ecke der Gefängnisküche gefunden.
Lahme stand in der Reihe mit den übrigen Delinquenten in der prallen Mittagssonne. Schweiß rann ihm über das Gesicht. Gespannt beobachtete er das Szenario. Alle Sträflinge hatten die Köpfe gesenkt und ihren Blick auf den Boden gerichtet. Keiner von ihnen wollte den Eindruck erwecken, als wüsste er irgendetwas von den Vorkommnissen der vergangenen Nacht. In der Zwischenzeit wurden die Pavillons von den Wärtern durchsucht. Sie suchten nach Waffen, Drogen, Telefonen und nach allem, was in der Anstalt offiziell nicht erlaubt war.
Der Häftling, der rechts neben Lahme stand, raunte ihm zu:
„Lass deinen Kopf unten! Wenn du irgendwie aus der Reihe fällst, verhören sie dich stundenlang. Das ist bestimmt kein Zuckerschlecken. Sie schleppen dich in irgendein Loch und verprügeln dich, egal, ob du etwas weißt oder nicht!“
Der Mann neben ihm war etwas kleiner als Lahme, sein schmächtiger Körper steckte in einer Jeans, die vor Dreck starrte und einem T-Shirt, dessen eigentliche Farbe man nicht mehr erkennen konnte.
Nach einer halben Stunde war der Spuk vorbei. Stolz präsentierten die Wärter, was sie in den Zellen gefunden hatten. Allerlei Waffen und sonstige Gegenstände wurden auf einem Tisch in der Mitte des Gefängnishofes aufgestapelt. Dabei waren Macheten, kurzläufige Revolver und abgesägte Schrotflinten.
Alle Häftlinge wurden wieder zurück in die Pavillons getrieben. Lahmes Nachbar setzte sich zu ihm auf die schmierige Matratze. Sein Name war Dan, er war US-Amerikaner und saß schon seit fast einem Jahr in Los Teques ein. Man hatte ihn am Flughafen von Caracas beim Drogenschmuggel erwischt. Jahrelang hatte er Kokain aus Kolumbien über Venezuela nach Kanada und von dort aus in die Vereinigten Staaten gebracht und geglaubt, er habe eine todsichere Methode gefunden. Er hatte die Droge verflüssigt und sie anschließend in einen versteckten doppelten Boden in seinem Koffer gefüllt. Ein venezolanischer Nationalgardist hatte am Zoll plötzlich mit einem Dolch wie verrückt in seinen Koffer gestochen. Das Ergebnis war, dass die Drogenbrühe an allen Seiten des Koffers hinauslief. Nun warteten auf ihn bis zu zehn Jahre Knast in diesem Loch. Sein Verfahren lief noch. Auch ihm hatte man bei einem Geständnis versprochen, dass er in ein anderes Gefängnis verlegt würde. Seither kämpfte er jeden Tag ums Überleben in dieser Hölle.
Alle seien hier korrupt, erzählte er Lahme. Die Polizisten seien die schlimmsten, sie hielten für alles die Hand auf, ebenso Wärter, Nationalgardisten und der Gefängnisdirektor. Hier müsse man für alles bezahlen. Spätestens morgen Früh verkauften sie wieder alles, was sie gerade bei der Razzia gefunden hätten, an die Luceros. Und spätestens, wenn sie die nächste Leiche fänden, ginge das Spiel wieder von vorne los.
Als Ausländer habe man einen schlechten Stand, sie pressten einen aus wie eine
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