Faulspiel (German Edition)
zurückzuholen. Er hatte sein kleines Immobilienbüro geschlossen, nachdem er Valerie am Flughafen abgeholt hatte. Er wolltesie mit ihrem Schmerz nicht alleine lassen. Zu viel lag ihm an dieser Frau, und zu sehr spürte er, dass sie jetzt dringend die Nähe eines Menschen brauchte, dem sie vertrauen konnte.
Rührend kümmerte er sich um sie und las ihr förmlich jeden Wunsch von den Augen ab. Sie aß und trank so gut wie gar nicht, und er war davon überzeugt, dass sie mit ihrem Leben abgeschlossen hatte.
Immer wieder versuchte er, sie davon zu überzeugen, dass ihr die Einsamkeit nicht gut tue. Sie müsse unter Menschen gehen und sich von ihrem Schmerz ablenken und vor allen Dingen müsse sie auf den Pfad des Lebens zurückfinden.
In einer dunklen Ecke ihres Bungalows errichtete er einen kleinen Altar, den eine Madonnenfigur und ein in weiße Kleider gehüllter Engel zierten. Am Rand des Altars stellte er unzählige Kerzen auf und entzündete jeden Tag eine davon. In seinen Gebeten flehte er den allmächtigen Gott um Hilfe für dieses gestrandete Wesen an und bat um Vergebung ihrer Sünden. Er war davon überzeugt, dass sie sich auf einer Ebene bewegte, auf der ihr nur noch überirdische Kräfte helfen könnten.
Irgendwann schaffte er es, Valerie davon zu überzeugen, in ihrem kleinen Restaurant nach dem Rechten zu sehen. Insgeheim hoffte er natürlich, dass die Umgebung, die noch vor kurzer Zeit die Erfüllung ihrer Träume ausgemacht hatte, den letzten Funken Lebensmut, den er in ihr vermutete, zum Leben erwecken könnte.
Es dämmerte bereits, und die Sonne war gerade dabei, am karibischen Horizont blutrot im Meer zu versinken, als sie mühsam die Treppen zu dem Restaurant emporstiegen. Sie hatten gerade den Eingang der Veranda erreicht, da nahmen sie im Schatten einer Palme, die am äußersten Rand der Terrasse wuchs, die schemenhaften Umrisse einer Person wahr.
„Siehst du, Val, auch Mano sehnt sich danach, dass endlich wieder Leben in das Restaurant kommt. Nicht wahr, Mano?“
Unendlich langsam bewegte sich die Gestalt aus dem Schatten der Palme hervor.
Bekleidet war der Mann mit einem hellen Jackett und einer verwaschenen Jeans. Seinen Kopf zierte ein Strohhut, den er tief in sein Gesicht gezogen hatte. Der Schatten der Hutkrempe bedeckte sein Antlitz.
Valerie war sich sicher, dass dieser Mann niemals Mano, ihr Koch, sein könnte. Dafür war er viel zu groß. Aber vielleicht spielte ihr auch die zunehmende Dämmerung einen Streich.
Wie von Geisterhand getrieben breitete der Unbekannte seine Arme aus und streckte sie Valerie wortlos entgegen. Kaum merklich hob er seinen Kopf, und ihre Blicke trafen sich.
Ungläubig schaute sie in diese unendlich blauen Augen, die sie so gut kannte und nach denen sie sich so sehr gesehnt hatte!
Die leuchtende Erkenntnis durchzuckte ihren bebenden Körper wie ein Blitz die dunkle Nacht! Die Knie versagten ihr den Dienst, sodass Madras sie stützen musste. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und ihr Herz überschlug sich im Freudentaumel!
Konnte es wirklich sein? Vor ihr stand ihre unendlich große Liebe, Marcel Runge!
Von imaginären Flügeln getragen schwebte sie in seine weit ausgebreiteten Arme und bedeckte sein Gesicht mit nicht enden wollenden zärtlichen Küssen. Hingebungsvoll schmiegte sie ihren Kopf an seine starke Schulter.
Er lebt! Er lebt! durchfuhr es ihre gepeinigte Seele, und mit tränenerstickter Stimme stammelte sie:
„Ich bin so froh, so unendlich dankbar! Wir dachten alle, du seist tot! Doch du lebst, du lebst wirklich! Ich bin so froh, dass du lebst!“
„Ja, ich lebe. Und jetzt beginnt mit dir, meiner geliebten Valerie, ein neuer Lebensabschnitt, das verspreche ich dir!“
Auch Marcel Runge hatte Tränen in den Augen. Er wollte in seinem neuen Leben seine Gefühle nie wieder hinter dem Berg halten, das schwor er sich!
Mit kurzen und knappen Worten versuchte er zu erklären, warum er den Unfall in der Schweiz vorgetäuscht hatte.
Nachdem Bako von Valeries Notizbuch erfahren hatte, war es für Runge völlig klar, dass er damit zur Zielscheibe wurde. In den Jahren zuvor hatte er durch seine Recherchen und die damit verbundenen Veröffentlichungen für jede Menge Aufsehen gesorgt und war regelmäßig in irgendeiner Form bedroht worden. Die Ermittlungen, die sein Freund Hans Wolf über das BKA einleitete, hatten zur Folge, dass die ganze Bande aufgeschreckt wurde, und spätestens mit dem Tod Abrahams und dem Mord an dem Zuhälter Ritchie
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