Faulspiel (German Edition)
Gerd Müller!
Die Gazetten waren voll mit Berichten über das neue deutsche Ausnahmetalent. Die Reporter übertrumpften sich gegenseitigmit Superlativen. Das reichte von „Fußball von einem anderen Stern“ bis hin zu „Heilsbringer des deutschen Fußballs“!
Seine erste Profisaison verlief wie in einem Bilderbuch; ihm war es zu verdanken, dass seine Mannschaft an der Tabellenspitze stand und jetzt, am letzten Spieltag, hatten sie sogar die einmalige Möglichkeit, nach vielen erfolglosen Jahren wieder Deutscher Meister zu werden. Durch seine Erfolge gehörte er zum Kader der Nationalmannschaft und war bereits für die bevorstehende Europameisterschaft nominiert.
Ihm erschien dieser schnelle Aufstieg in das Profigeschäft unfassbar. Selbst die großen europäischen Vereine waren auf ihn aufmerksam geworden und machten ihm bereits Avancen für einen Vereinswechsel. Es war gerade mal ein paar Tage her, dass er seinen bis dato größten Erfolg in der Nationalmannschaft feiern konnte.
Eines der letzten Vorbereitungsspiele für die Europameisterschaft bestritt die Nationalelf in Mailand gegen Italien, und Max war von Anfang an dabei. In diesem Spiel spürte er das erste Mal, was man unter internationaler Härte verstand. Sein Gegenspieler traktierte ihn fast über die gesamte Spielzeit mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln.
Kurz vor Ende des Spiels holte er Max direkt an der Außenlinie derart hart von den Beinen, dass er das Gefühl hatte, sämtliche Knochen in seinem Leib würden brechen.
Anstatt zu jammern und zu lamentieren, gab Max die einzig richtige Antwort auf die rüde und rüpelhafte Spielweise: In der Nachspielzeit erzielte er den Siegtreffer für seine Mannschaft!
Deutschlands neuer Fußballkaiser versenkt die stolzen Italiener
titelte man anschließend in der internationalen Sportpresse.
Es war schon ewig her, dass die deutsche Elf in Italien gewinnen konnte.
Max genoss seinen schnellen Ruhm.
Er hatte das Bild noch genau vor Augen, wie stolz sein Vater war, als er mit seinem ersten Profivertrag nach Hause kam. Natürlich gönnte Papa ihm, dass sein Traum in Erfüllung ging, doch genauso stellte er sich die Frage, wer nun das Geschäft, das sich über eine halbe Ewigkeit etabliert hatte, weiterführen sollte. Eigentlich hatte er Max dafür vorgesehen.
Die kleine Metzgerei brauchte dringend einen Nachfolger, und Kaiser senior konnte das Geschäft nicht ewig weiterbetreiben. Seit drei Generationen befand es sich nun schon in Familienbesitz, und darauf konnte die Familie mehr als stolz sein.
Sein Urgroßvater hatte den kleinen Betrieb vor dem Ersten Weltkrieg gegründet, und danach wurde er immer an den ältesten Sohn weitergegeben. Es folgte eine fast endlose Diskussion über dieses Thema. Natürlich konnte der alte Kaiser die Beweggründe seines Sohnes verstehen, da einem jungen Kerl nicht oft im Leben eine solche Chance geboten wurde, und die wollte Max unter allen Umständen wahrnehmen. Zu seinem Glück hatte sich seine Mutter durchgesetzt, die schon immer für Max Partei ergriffen hatte.
„Nun lass den Jungen mal machen! Die Fußballkarriere dauert ja nicht ewig. Anschließend kann er das Geschäft immer noch übernehmen.“
Zähneknirschend stimmte sein Vater schließlich zu.
Am Vorabend des Saisonfinales saß Max Kaiser nach dem Nachmittagstraining auf der Tribüne seines Heimstadions und genoss die Atmosphäre dieser reinen Fußballoper auchohne Fans und Zuschauer. Noch einmal ließ er die Ereignisse der letzten Monate Revue passieren. Es war schon unglaublich, welche Entwicklung er gemacht hatte. Schon immer hatte er davon geträumt, in diesem Stadion vor seinem Heimatpublikum spielen zu dürfen, und jetzt sollte sein Traum Wirklichkeit werden!
Es war einer dieser herrlichen, frühen Sommertage. Die Luft war sauber und nicht so von Staub geschwängert, wie man es im Ruhrgebiet kannte. Die Nachmittagshitze hatte sich bereits verflüchtigt, und ein lauer Wind wehte durch das menschenleere Stadion. Vor seinem geistigen Auge zog das Szenario der von Fußballfans gefüllten Ränge vorüber, und er konnte die mystische Atmosphäre, die von dieser reinen Fußballarena ausging, fast körperlich spüren. Diesem Mythos konnte man sich einfach nicht verschließen. Jeder, der nur in irgendeiner Form mit dem Fußball verbunden war, wurde von diesem Virus infiziert. Dem Gänsehautgefühl, von dem man erfasst wurde, ausgelöst von dem Geschehen auf dem grünen Rasen, konnte sich der
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