FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Weltall geschickt und geschützte Portale bei Telefongesellschaften überwacht. Kiser kannte die Regeln, wenn Agenten Genehmigungen des FISA-Gerichts brauchten, um ausländische Feinde auszuspionieren. Sie war eine Art menschliche Schaltzentrale, sie gehörte zu den wenigen Personen in ganz Amerika, die einen Kontakt zwischen FBI-Agenten und Fort Meade herstellen konnten. Auf ihrem Schreibtisch stand ein ganzes Arsenal von Computern, darunter auch ihr klappriger FBI-Laptop, eine wacklige Verbindung zum Hauptquartier, und Telefone, die ununterbrochen zu klingeln schienen.
Nach 16 Jahren bei der Spionageabwehr hatte sie ein gesundes Misstrauen entwickelt. Das kam ihr an einem Morgen im Januar 2001 zugute, als sie einen Anruf aus der FBI-Zentrale erhielt. Sie kannte den Anrufer nicht.
Er sagte: »Hallo, Cathy. Hier spricht Bob Hanssen. Wie geht’s?«
Sie entgegnete: »Gut. Und wer sind Sie?«
Hanssen erwähnte kurz seine Beförderung in den Senior Executive Service des FBI. Er war barsch, fast schon unhöflich; Hanssen hatte etwas gegen Frauen in leitender Position. Er beauftragte Kiser, Besprechungen mit »prominenten Leuten bei der Nationalen Sicherheitsbehörde zu arrangieren, die mich über die Computer-Infrastruktur bei der Nationalen Sicherheitsbehörde informieren können«. Instinktiv erteilte ihm Kiser eine Abfuhr, erst am Telefon und dann ein paar Tage später noch einmal persönlich im Hauptquartier. [638]
Nach zwanzigjähriger Spionagetätigkeit für Moskau war Hanssen schließlich Gegenstand einer Spionageermittlung geworden, die bis in die Zeiten des Kalten Kriegs zurückreichte. Das FBI hatte zunächst den falschen Mann verdächtigt: einen CIA-Agenten, der erbittert seine Unschuld beteuert hatte. Der Streit darüber war zu einem Kleinkrieg zwischen FBI und CIA ausgeartet. In einem letzten Versuch, die Ermittlung doch noch zu retten, hatte das FBI einem ehemaligen russischen Spion mehrere Millionen Dollar dafür bezahlt, dass er eine für den Fall relevante Akte aus den Geheimarchiven des KGB stahl. Die Akte war in den gleichen Müllbeutel eingepackt, in dem Hanssen die FBI-Dokumente zu den Russen zu schmuggeln pflegte. Der Beutel enthielt nicht nur seine Fingerabdrücke, sondern auch ein 14 Jahre altes Tonband, auf dem zu hören war, wie er sich mit seinem KGB-Kontaktmann unterhielt.
Die Stimme mit dem Chicagoer Akzent gehörte unzweifelhaft Hanssen.
Zwei Tage bevor das belastende Band geliefert wurde, hatte er den Russen fast tausend Seiten Dokumente übergeben. Sie enthielten die Namen der Spionageabwehr-Informanten des FBI in ganz Amerika, Kanada und England sowie Daten, die das FBI dem Weißen Haus, dem Pentagon, dem Außenministerium und der Nationalen Sicherheitsbehörde übermittelt hatte. Das ganze Material hatte er von den Datenbanken des FBI kopiert; für ihn war das ein Kinderspiel. »Das System konnte jeder kleine Angestellte knacken«, sagte Hanssen bei den Vernehmungen nach seiner Verhaftung am 18. Februar 2001. »Was ich getan habe, ist kriminell, aber wie die das System handhaben […] ist kriminelle Fahrlässigkeit.« [639]
Kiser musste bei der Ermittlung des Schadens mitwirken, den Hanssen der NSA zugefügt hatte; es war eine quälende Aufgabe. »Die Leute standen vor meiner Bürotür Schlange mit ängstlichen, betroffenen Mienen«, sagte sie. »Mitarbeiter bei der Nationalen Sicherheitsbehörde waren Hanssen im normalen Arbeitsalltag bei Besprechungen begegnet. Sie hatten ihn seit Jahren gekannt. Das FBI und die Geheimdienstgemeinde standen unter Schock, sie konnten es nicht fassen […] Es war die Hölle los.«
Hanssen flog vier Wochen nach George W. Bushs Amtsantritt auf. Zu diesem Zeitpunkt war der Fall die peinlichste Affäre in der jüngeren Geschichte des FBI. Sie gab Louis Freeh den Rest. Er beschloss, zum 1. Juni 2001 zurückzutreten, zwei Jahre vor Ende seiner zehnjährigen Amtszeit. Er traf die Entscheidung, ohne sich mit dem neuen Justizminister John Ashcroft abzustimmen, den die Nachricht der Hanssen-Affäre an seinem ersten Tag im Amt ereilte.
Freeh verließ seinen Posten, als das FBI mit Hochdruck versuchte, die Hintergründe des jüngsten Al-Qaida-Anschlags zu ermitteln. Zwei Selbstmordattentäter hatten ein kleines Boot, das mit fast 450 Pfund hochexplosivem Sprengstoff beladen war, neben die USS Cole gesteuert, die auf dem Weg zum Persischen Golf im Jemen Treibstoff aufnahm. Die Explosion sprengte ein 14 Meter breites Loch in den 800 Millionen
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