FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
neue Ermittlungsabteilung geschafften, das Office of Intelligence, das mit der Terrorabwehrabteilung zusammenarbeiten sollte. Sein Haupttätigkeitsfeld sollte die strategische Analyse sein. Eine interne Prüfung ergab bald, dass zwei Drittel des Personals für ihre Aufgabe nicht qualifiziert waren. Die neue Abteilung wurde abgelehnt und gemieden; sie arbeitete in aller Stille und völlig isoliert. Es dauerte zwei Jahre, bis sie auf fast einstimmige Forderung der FBI-Abteilungsleiter aufgelöst wurde.
Einfluss und Macht des Direktors schwanden in Washington ebenso wie im Ausland. Er war stolz auf die Tatsache, dass er 68 Länder bereist und, nach eigenen Angaben, im Namen des FBI über zweitausend ausländische Führungspersönlichkeiten gesprochen hatte. Aber jetzt bemerkte er, dass er bei den Innenministern, Prinzen und Geheimpolizeichefs der Welt das Gesicht verlor, eine Tatsache, die er dem weltweiten Spott über die kleinen Sünden des Präsidenten zuschrieb.
Am Abend des 6. April 2000 flog Freeh nach Pakistan, um mit dem dortigen Militärdiktator Pervez Musharraf zu konferieren. Am Vormittag war ein Mann mit der Warnung, Al-Qaida wolle eine Boeing 707 entführen, in der FBI-Außenstelle in Newark aufgetaucht. Wie er sagte, sollte er sich mit einem halben Dutzend Leuten treffen, die an dem in Pakistan entworfenen Plan beteiligt seien; zu dem Entführerteam gehöre ein ausgebildeter Pilot. Obwohl er sich einem Lügendetektortest unterzog, wusste das FBI nie so recht, ob er die Wahrheit sagte. Am folgenden Tag stellte Freeh in einem von britischen Kolonialoffizieren erbauten Militärquartier in Lahore General Musharraf ein Ultimatum. Er habe einen Haftbefehl für Osama bin Laden, und er wolle, dass der General den Mann sofort festnehmen lasse.
»Musharraf lachte«, berichtete Freeh. Er verweigerte seine Hilfe. [633]
In Afghanistan, 500 Kilometer westlich von Lahore, zeichneten in derselben Woche Al-Qaida-Führer eine Videoaufnahme mit höchst bedrohlichen Verbalangriffen gegen die Vereinigten Staaten auf. Wieder schwor bin Laden die Inhaftierung des Blinden Scheichs und der Botschaftsattentäter zu rächen. An seinem Gürtel steckte ein jemenitischer Dolch. Dieser Hinweis wurde jedoch erst bei Ausstrahlung der Aufnahme fünf Monate später entdeckt, als seine Pläne ausführungsreif waren.
Während der meistgesuchte Terrorist der Welt monatelang schwieg, meinten einige FBI-Führer, die Gefahr lasse nach. »FBI-Ermittlungen und -Analysen lassen erkennen, dass die Terrorbedrohung in den Vereinigten Staaten gering ist«, erklärte Terry Turchie, stellvertretender Abteilungsleiter für Terrorabwehr am 26. Juli vor einem Ausschuss für nationale Sicherheit im Repräsentantenhaus. Er berichtete über die Verhaftung von Tierrechtlern, die Kalbfleisch verarbeitende Betriebe sabotiert hatten, von rechtsextremen Milizen, die Sprengstoff lagerten, und einer Zigarettenschmugglerbande, die Geld an die Hisbollah im Libanon schickte. Bin Laden erwähnte er nicht. [634]
Seit den Anschlägen in Nordafrika zwei Jahre zuvor hatte das FBI in fast 200 Terrorismusfällen Anklage erhoben, von denen die meisten auf mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder und ihre Verbündeten abzielten. Dutzende verliefen im Sande, weil die Staatsanwälte des Justizministeriums reihenweise Fehler und Falschdarstellungen in den Akten entdeckten. Mindestens 100 Anträge auf Abhörgenehmigungen, die vom FBI wegen Gefahren für die nationale Sicherheit beim FISA-Gericht eingereicht wurden, waren juristisch fehlerhaft. Als Ursache benannte der Generalinspekteur für das FBI später, das FBI sei nicht in der Lage, die gesetzlichen Bestimmungen zu begreifen, die für amerikanische Nachrichtendienste maßgeblich seien. Die Richter erließen neue Bescheide, um zu verhindern, dass Strafsachen gegen Terroristen wegen Verfehlungen von Regierungsbehörden eingestellt wurden.
Mary Jo White tat, was in ihrer Macht stand, damit diese Fälle zur Verhandlung kamen. Sie war Bundesstaatsanwältin in Manhattan und hatte zwei Jahrzehnte lang beim FBI an Geheimdienstermittlungen gearbeitet. Weitere sieben Jahre hatte White in allen großen Terrorismusprozessen des Landes die Strafverfolgung geleitet, vom Blinden Scheich bis zum Verfahren gegen die Botschaftsattentäter. Für sie war Nairobi ein Vorbote.
In einer öffentlichen Ansprache am 27. September 2000 wies sie zunächst auf die Galaveranstaltung hin, die am Vorabend zum zwanzigsten Jahrestag der Joint Terrorism
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