FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
auslöst. Am gleichen Tag versicherte John Yoo, mittlerweile Stellvertreter von Justizminister Ashcroft, dem Weißen Haus, die Gesetze gegen Folter würden nicht für amerikanische Verhörbeamte gelten. Der Präsident, der Vizepräsident, der Verteidigungsminister und der CIA-Direktor waren derselben Meinung.
Nicht aber das FBI. »So etwas machen wir nicht«, sagte D’Amuro einige Wochen später zu Mueller. [659] D’Amuro hatte die Ermittlungen und die strafrechtliche Verfolgung beim Bombenanschlag auf die Botschaft in Ostafrika geleitet. Er wusste, dass die Terroristen mit dem FBI reden würden. Außerdem war er der Ansicht, dass Gefangene alles Mögliche sagten, damit die Folter aufhörte, und dass ihre frei erfundenen Geständnisse das FBI auf die Jagd nach Phantomen schicken würden. Außerdem war er überzeugt, dass geheime Folterungen irgendwie einmal ans Licht kommen würden: FBI-Agenten würden ihre Erkenntnisse vor Gericht bezeugen müssen. Ihre Glaubwürdigkeit würde zunichtegemacht und Strafsachen gegen Terroristen torpediert, wenn sie an Folterungen teilnahmen oder diese billigten. Er wollte sagen können, das FBI habe sich nicht die Hände schmutzig gemacht.
Beiden Männern war bewusst, dass sie vielleicht eines Tages selbst würden aussagen müssen, unter grellen Fernsehscheinwerfern im Senat oder Repräsentantenhaus oder unter Eid vor Gericht.
Mueller befand sich erneut im Zwiespalt, diesmal zwischen der Rechtsstaatlichkeit und der erforderlichen Geheimhaltung. Im Prinzip stimmte er mit D’Amuro überein. Dennoch bewahrte er Stillschweigen. Er legte nichts schriftlich nieder. Der Streit darüber, ob das FBI Folter duldete oder nicht, ging weiter.
Die CIA wandte bei Abu Subaida im August 83 Mal Waterboarding an und entzog ihm mindestens eine Woche am Stück den Schlaf. Ohne Erfolg. Ein Großteil dessen, was die CIA aus dem Geheimgefängnis berichtete, stellte sich als falsch heraus. Der Gefangene war nicht bin Ladens Einsatzleiter. Er war kein terroristischer Drahtzieher. Dem FBI hatte er alles erzählt, was er wusste. Der CIA hatte er alles Mögliche erzählt, was er nicht wusste.
»Sie haben Dinge gesagt, damit sie aufhörten, und diese Dinge waren eigentlich falsch, trifft das zu?«, wurde er fünf Jahre später vor einem Strafgericht in Guantánamo gefragt.
»Ja«, entgegnete er. »Sie sagten zu mir: ›Entschuldige, wir haben herausgefunden, dass du nicht die Nummer drei bist, kein Hintermann, nicht einmal ein Kämpfer.‹« [660]
Die Foltermethoden wurden auch in Afghanistan und Kuba eingesetzt, und FBI-Agenten wurden Zeugen davon.
Mitte September redete Soufan mit dem Al-Qaida-Gefangenen Ramsi Binalshibh, den man im CIA-Geheimgefängnis auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram bei Kabul nackt am Boden angekettet hatte. Soufan sagte, er sei gerade dabei gewesen, »wertvolle, zweckdienliche Informationen« zu erhalten, ehe ihm CIA-Beamte nach einer Dreiviertelstunde befahlen, das Verhör abzubrechen. Am 17. September flogen sie ihren Gefangenen in ein anderes Geheimgefängnis in Marokko, dann nach Polen; unter extremer Nötigung beschrieb er Verschwörungen mit dem Ziel, Flugzeuge über dem Flughafen Heathrow und auf dem Bürokomplex Canary Wharf in London abstürzen zu lassen. Außerdem stellte man bei ihm die Diagnose Schizophrenie.
Soufan ging anschließend nach Guantánamo, einer von 400 FBI-Agenten, die im Lauf der nächsten zwei Jahre auf dem Marinestützpunkt eingesetzt wurden. Die Hälfte von ihnen meldete Übergriffe durch Verhörbeamte.
Zu den Gefangenen, die Soufan verhörte, gehörte auch der Al-Qaida-Funktionär Mohammad al-Katani, aufgegriffen durch pakistanische Truppen bei seiner Flucht aus Afghanistan. Das FBI hatte ihn anhand von Fingerabdrücken als zwanzigsten Entführer identifiziert: Er war derjenige, der es nicht bis ins Flugzeug geschafft hatte. Als er auf dem Flughafen Orlando in den Vereinigten Staaten einreisen wollte, ohne Englisch zu sprechen und ohne Rückflugticket, wurde er von Zoll- und Einwanderungsbeamten verhaftet, man nahm seine Fingerabdrücke, fotografierte ihn und schob ihn kurz vor den Anschlägen nach Dubai ab.
Soufan versuchte einen Monat lang, al-Katani in Guantánamo zum Reden zu bringen. Man sperrte ihn in ein Marinegefängnis, in eine eiskalte Zelle, wo die ganze Nacht lang Licht brannte. Aber Soufan gelang es nicht, ihn mit Worten zu brechen.
Im Oktober verlangten Armee-Offiziere »die Herausgabe al-Katanis« und »erklärten dem
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