FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Tag –, verhaften wir dich. Wenn du gegen kommunalrechtliche Vorschriften verstößt, kommst du ins Gefängnis und bleibst so lange wie möglich dort. Wir werden alle zur Verfügung stehenden Gesetze anwenden. Wir werden von staatsanwaltlicher Seite sämtliche rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Wir werden all unsere Waffen einsetzen.« [650]
Der Justizminister legte einige der Befugnisse dar, die das FBI gemäß dem am gleichen Tag vom Senat verabschiedeten Patriot Act einsetzen würde: E-Mail-Adressen herausfiltern, Handys und Mailboxen abhören, Kreditkarten- und Bankkontonummern im Internet ausspähen. All das geschehe im Rahmen des Gesetzes, sagte er, mit Anordnungen zur Beweisauskunft und Durchsuchungsbefehlen.
Aber der Patriot Act genügte dem Weißen Haus noch nicht. Am 4. Oktober wies Bush die Nationale Sicherheitsbehörde an, mit dem FBI bei einem Geheimprogramm namens Stellar Wind zusammenzuarbeiten.
Das Programm war genial. Nach einer Weile sollte Mueller befinden, dass es außerdem illegal war.
Der Direktor der Nationalen Sicherheitsbehörde, General Michael V. Hayden, hatte zehntausenden seiner Beamten in einer Videobotschaft Folgendes mitgeteilt: »Wir werden Amerikas Freiheit bewahren, indem wir dafür sorgen, dass Amerikaner sich wieder sicher fühlen.« [651] Unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September hatte Hayden gesagt, er habe »den Zapfhahn für den Informationsfluss von der Nationalen Sicherheitsbehörde zum FBI so weit geöffnet wie nie zuvor«. Er und seine Leiterin der Fernmeldeaufklärung Maureen Baginski hatten dem FBI eine Fülle unbearbeiteter Daten geliefert – Namen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen, gewonnen aus Millionen von Nachrichten an und aus Amerika. Die Absicht war die engmaschige Verfolgung sämtlicher Personen in den Vereinigten Staaten, die Verbindungen zu Al-Qaida haben könnten, und all das geschah mit Billigung des Foreign Intelligence Surveillance Court. Das Vorgehen sei zwar legal, aber wenig zielführend, meinte Hayden. »Wir erkannten, dass wir zu viele Daten in unbearbeiteter Form weiterleiteten«, mit der Folge, dass hunderte FBI-Agenten fast den gesamten Herbst 2001 damit verbrachten, tausenden falschen Hinweisen nachzugehen. »Es liegt in der Natur von Geheimdienstarbeit, dass zahlreiche Hinweise nicht weiterführen«, sagte er, »aber man muss in vielen Sackgassen suchen, um die Hinweise zu finden, die sich auszahlen.« [652]
Der Präsident und der Vizepräsident wollten, dass das FBI spionierte, ohne die vom Foreign Intelligence Surveillance Court auferlegten rechtlichen und verfassungsmäßigen Einschränkungen zu beachten. Deshalb gab es Stellar Wind. Die NSA sollte ungehindert Amerikaner und Ausländer in den Vereinigten Staaten abhören, und zwar ohne hinreichenden Verdacht oder richterliche Anordnung. Sie sollte die elektronischen Daten von Millionen Telefongesprächen abgreifen und analysieren – vom Anrufer wie vom Angerufenen – sowie die Betreffzeilen von E-Mails, Namen und Internet-Adressen. In aufbereiteter Form würde sie das Material dann an das Bureau weiterleiten, damit dieses tätig wurde.
Stellar Wind griff auf Methoden aus dem Kalten Krieg zurück und kombinierte sie mit der Technologie des 21. Jahrhunderts. Es sorgte dafür, dass das FBI und die NSA jenseits von Recht und Gesetz miteinander kooperieren konnten. Wie Cheney aus seiner Zeit im Weißen Haus nach der Watergate-Affäre wusste, hatten die Nationale Sicherheitsbehörde und das FBI in dieser Weise zusammengearbeitet, bis der Oberste Gerichtshof 1972 in einer einstimmigen Entscheidung Lauschangriffe ohne richterliche Anordnung für ungesetzlich erklärte.
Mit Stellar Wind wurde die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ignoriert, und zwar unter Berufung auf ein fragwürdiges Gutachten, das in ebenjener Woche, als der Patriot Act verabschiedet wurde, im Weißen Haus einging. Es stammte von John Yoo, einem vierunddreißigjährigen Juristen aus dem Office of Legal Counsel im Justizministerium, der für Richter Clarence Thomas am Obersten Gerichtshof gearbeitet hatte. Yoo schrieb, der verfassungsmäßige Schutz vor Durchsuchungen und Beschlagnahmen ohne richterliche Anordnung gelte nicht für Militäroperationen in den Vereinigten Staaten. Die Nationale Sicherheitsbehörde sei eine Militärbehörde; der Kongress habe Bush zu einem Militäreinsatz ermächtigt; folglich habe der Präsident die Befugnis, die Nationale Sicherheitsbehörde gegen
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