FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
aufgewachsen in Beirut und hatte einen gewissen libanesischen Zungenschlag, den Saddam mochte. Bereits nach kurzer Zeit duzten sie sich.
Piro wurde etwa um die Zeit geboren, als Saddam im Irak an die Macht kam. Er war vierunddreißig, ein großer, schlanker Mann mit wachen Augen und intensivem Blick. Er war Polizist in Turlock, Kalifornien, gewesen, einer 160 Kilometer von San Francisco entfernten Kleinstadt, seit Jahrzehnten neue Heimat für eine Gemeinschaft assyrischer Christen aus dem Nahen Osten. Seine Eltern waren 1982 dorthin gezogen, um dem Bürgerkrieg in Beirut zu entkommen. Damals war er zwölf.
Piro hatte sich sechs Wochen lang darauf vorbereitet, Saddam zu verhören. Aus den Verhörprotokollen geht hervor, dass er dem Gefangenen durch die gute Beziehung, die er zu ihm herstellte, und seine geschickte Verhörtechnik Dinge entlocken konnte, die das Weiße Haus elektrisierten. Saddam sagte, er habe seit Beginn des ersten Irakkriegs 1991 nur zweimal das Telefon benutzt und kaum jemals länger als zwei Nächte hintereinander im gleichen Bett geschlafen. Er verachte Osama bin Laden als sunnitischen Eiferer. Jetzt sei er bereit, durch die Hand seiner Eroberer zu sterben.
Nach sechstägiger Befragung verhörte Piro Saddam eingehend und wiederholt zum Arsenal chemischer und biologischer Waffen, das Präsident Bush als Rechtfertigung für die Invasion diente und das er nicht finden konnte.
Wo sind die Massenvernichtungswaffen?, fragte er. Existieren sie überhaupt? Nein, behauptete Saddam. Es war ein alter Bluff, eine Täuschung, um die Iraner, die Israelis und die Amerikaner abzuschrecken.
»Wir haben sie vernichtet. Das haben wir euch gesagt«, erklärte er Piro am 13. Februar 2004. »Bei Gott, wenn ich solche Waffen besäße, hätte ich sie gegen die Vereinigten Staaten eingesetzt.« Er sagte die Wahrheit.
Das FBI hatte – nicht zum ersten Mal – Beweise ermittelt, die den Stuhl eines Präsidenten zum Wackeln brachten. »Niemand war entsetzter und wütender als ich«, schrieb Bush in seinen Memoiren. »Jedes Mal, wenn ich daran dachte, hatte ich ein ungutes Gefühl. Es geht mir immer noch so.«
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»Wenn wir dies nicht machen, werden Menschen sterben«
Am Tag nach Pearl Harbor übertrug Präsident Roosevelt J. Edgar Hoover die Befugnis, den gesamten Telekommunikationsverkehr innerhalb und außerhalb der Vereinigten Staaten zu überwachen. Drei Wochen nach dem 11. September erteilte Präsident Bush Robert Mueller eine fast ebenso weitreichende Befugnis.
In den 29 Monaten nach Bushs Anordnung hatte das FBI unter der Ägide der Nationalen Sicherheitsbehörde tausende Telefon- und Internetadressen in den Vereinigten Staaten überprüft. »Jeden Tag«, so Mueller, sei das Bureau »E-Mail-Drohungen aus der ganzen Welt nachgegangen, denen zufolge diese und jene Terroraktivität in den Vereinigten Staaten erfolgen werde«. [663]
Die Aufgabe, »Al-Qaida-Kämpfer zu neutralisieren, die sich bereits in den Vereinigten Staaten aufhalten und in der amerikanischen Gesellschaft etabliert haben, zählt zu den schwierigsten Herausforderungen für unsere Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden«, erklärte Mueller bei einem Treffen des Senate Select Committee on Intelligence, des Geheimdienstausschusses des Senats, am 24. Februar 2004 hinter verschlossenen Türen. [664] Jetzt sah sich der FBI-Direktor einer nicht minder großen Herausforderung gegenüber. Er musste dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten trotzen. Er musste sich ihnen in einer Machtprobe in Sachen Geheimhaltung und Demokratie entgegenstellen und ihnen im Namen von Recht und Gesetz Paroli bieten.
Mindestens drei globale Abhörprogramme wurden unter der Bezeichnung Stellar Wind in Gang gesetzt und durchpflügten den Äther auf der Suche nach elektronischen Daten. Mindestens zwei von ihnen waren ein Verstoß gegen den verfassungsmäßig garantierten Schutz vor Durchsuchungen und Beschlagnahmen ohne richterliche Anordnung. Mueller sah keinen Hinweis darauf, dass die Überwachung Leben gerettet, einen Anschlag verhindert oder ein Al-Qaida-Mitglied in den Vereinigten Staaten entlarvt hätte.
Stellar Wind musste alle 45 Tage von Präsident Bush und Justizminister Ashcroft per Unterschrift verlängert werden. Beide stützten sich auf CIA-Berichte – Geheimdienstoffiziere nannten sie »die unheimlichen Memoranden« –, um die Fortsetzung der Überwachungsprogramme zu rechtfertigen. Nur wenige wussten Bescheid,
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