FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Thomas Tamm, ein Jurist im Justizministerium. Sein Vater und sein Onkel waren zwei von J. Edgar Hoovers engsten Beratern in der FBI-Zentrale gewesen. Als die New York Times die ersten Fakten enthüllte, hatten Ashcroft und Comey die Regierung Bush bereits verlassen.
Muellers Widerstand gegen den Präsidenten wurde erst sehr viel später bekannt. Comey jedoch gab vor einer handverlesenen Zuhörerschaft in der Nationalen Sicherheitsbehörde preis, was Mueller bei der Konfrontation im Weißen Haus von Bush und Cheney zu hören bekommen hatte:
»Wenn wir dies nicht machen, werden Menschen sterben.« Was mit »dies« gemeint ist, können Sie selbst ergänzen. »Wenn wir diese Art Information nicht sammeln« oder »Wenn wir diese Technik nicht anwenden« oder »Wenn wir diese Befugnis nicht erteilen«. Es ist außerordentlich schwierig, sich als Justizminister vor den Güterzug solcher Notwendigkeiten zu stellen […] Man braucht weit mehr als messerscharfes juristisches Urteilsvermögen, um im entscheidenden Augenblick »nein« zu sagen. Man braucht moralische Stärke. Man braucht die Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken. Man braucht die Fähigkeit, den Schaden richtig einzuschätzen, der sich aus einem ungerechtfertigten »Ja« ergibt. Man braucht ein Verständnis dafür, dass die juristisch unbedenkliche Informationsbeschaffung langfristig die einzig vertretbare Informationsbeschaffung in diesem Land ist. [666]
Einen Monat später, am 14. April 2004, trat Mueller vor der Untersuchungskommission zum 11. September auf, verlor aber kein Wort über die Ereignisse im Weißen Haus. Er schweigt bis heute.
»Die Anfänge eines Geheimdienstes«
Die Untersuchungskommission und der Kongress akzeptierten die Beteuerung des FBI-Direktors, die Behörde könne beides gewährleisten: Freiheit und Sicherheit. Aber sie verlangten mehr von Mueller. Sie wollten sicherstellen, dass das FBI die umfassenden Befugnisse anwandte, die der Kongress ihm auf der Grundlage des Patriot Act von 2001 übertragen hatte.
Das Bureau tat es, aber nicht immer korrekt. Am 6. Mai 2004 verhaftete das FBI den Anwalt Brandon Mayfield aus Oregon mit einem Haftbefehl nach dem Material Witness Statute als »wichtigen Zeugen« zu den Bombenanschlägen in Madrid. Er war amerikanischer Staatsbürger und zum Islam übergetreten. Das FBI hatte Mayfield sieben Wochen lang ausgespäht und überwacht und dabei alle Instrumente genutzt, die es in der Hand hatte. Die Anklage stützte sich auf den Fingerabdruck auf einer Plastiktüte in Madrid, der vom FBI-Labor fälschlicherweise als der von Mayfield identifiziert worden war. Die spanische Polizei hatte dem Rechtsattaché des FBI in Madrid mitgeteilt, Mayfield sei der falsche Mann. Trotzdem wurde er festgenommen. Er blieb zwei Wochen in Einzelhaft, bevor er entlassen wurde. Später erhielt er eine offizielle Entschuldigung und eine Abfindung in Höhe von zwei Millionen Dollar von der Regierung.
Mit dem Patriot Act, den man unter dem Diktat der Angst in Windeseile erlassen hatte, wurden die Befugnisse der National Security Letters (NSL), der »nationalen Sicherheitsbriefe« – ein Instrument, das vor dem 11. September nur selten angewandt wurde –, beträchtlich erweitert. Die Briefe verlangten von Banken, Kreditanstalten, Telefongesellschaften und Anbietern von Internetdiensten die Herausgabe von Kundendaten an das FBI. Die Adressaten waren zum Stillschweigen verpflichtet, sie konnten mit niemandem darüber reden, nicht einmal mit einem Anwalt. Die Briefe waren eine Aufforderung zur Beweisauskunft unter Strafandrohung ( subpoena ) und gleichzeitig eine Art Maulkorberlass. Pro Woche stellte das FBI fast 1000 solcher Briefe zu. Mehr als die Hälfte der Adressaten waren amerikanische Staatsbürger. FBI-Agenten behaupteten, die Briefe seien ein unverzichtbares Ermittlungsinstrument zur Terrorabwehr. Doch sie waren – wie das Abhören von Telefonen ohne richterliche Anordnung – auch nichts anderes als Einbruch und illegales Eindringen in Privatwohnungen. Ein FBI-Dienstgruppenleiter konnte sie ohne die Genehmigung durch einen Richter oder die Anordnung eines Staatsanwalts ausstellen.
Im September 2004 erklärten Bundesrichter diese Briefe erstmals für verfassungswidrig. Die Gerichte lehnten die Bestimmungen des Patriot Act ab, die dem FBI diese Befugnisse zugestanden hatten. Der Kongress formulierte das Gesetz neu, um daran festzuhalten. Zwar musste das FBI jetzt die Schweigepflicht vor einem Richter
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