FBI: Die wahre Geschichte einer legendären Organisation (German Edition)
Nachrichtenbeschaffung habe eine große Verantwortung zu tragen, besitze aber keine Befehlsgewalt. Sie führe keine geheimdienstlichen Untersuchungen oder Operationen durch. Sie mache keine Analysen. Sie habe wenig mitzureden, wenn es um die 56 Außendienststellen ging, über die einzig und allein der FBI-Direktor gebot.
»Wir wollten wissen, ob die Nachrichtenbeschaffung ihre vorrangigen Ziele erfüllen kann«, hieß es in dem Bericht. »Sie kann es nicht. Wir wollten wissen, ob die Abteilung Nachrichtenbeschaffung die Mehrheit der Analysten des FBI direkt unter ihrer Kontrolle hat. Das ist nicht der Fall.« Sie kontrolliere weder das Geld noch die Mitarbeiter, die doch offenkundig unter ihrer Führung tätig seien. »Können die jüngsten Bemühungen des FBI zum Aufbau geheimdienstlicher Kompetenzen den Widerstand überwinden, der in der Vergangenheit Reformen verhindert hat?«, fragte der Bericht weiter. »Die Antwort darauf ist nach wie vor offen.« Dies waren harte Urteile und umso kränkender, da sie der Wahrheit entsprachen.
Wenn das FBI seine Agenten nicht unter Kontrolle hatte und seine Befugnisse auszuüben nicht in der Lage war, so das Fazit des Berichts, sollten die Vereinigten Staaten das FBI auflösen und einen von Grund auf neuen Inlandsgeheimdienst aufbauen.
Zähneknirschend begann Mueller, den größten Umbau der Kommandostruktur des FBI seit Hoovers Tod in Gang zu setzen. Ein einheitlicher nationaler Sicherheitsdienst innerhalb des FBI sollte jetzt die Nachrichtenbeschaffung, die Spionage- und die Terrorabwehr kontrollieren. Die Maßnahmen wurden im September 2005 umgesetzt. Wie Richter Silberman es prophezeit hatte, sollte es fast fünf Jahre dauern, bis der Umbau Wirkung zeigte.
»Wer bestimmt, was gemacht wird?«
Der Krieg im Irak streute Sand ins Getriebe des FBI. Hunderte Agenten waren im Irak im Einsatz, ebenso viele waren im kriminologischen Labor des FBI in Quantico, Virginia, in eine nicht enden wollende Schlacht verwickelt. Sie analysierten zehntausende Fingerabdrücke und biometrische Daten von Häftlingen, immer auf der Suche nach Verbindungen zu Al-Qaida. Sie sammelten, analysierten und entschlüsselten zehntausende Fragmente von Sprengfallen, die amerikanische Soldaten getötet hatten.
Mitglieder des vielgelobten, in Kommandotaktiken ausgebildeten Geiselbefreiungsteams des FBI waren im Irak, aber auch in Afghanistan sehr gefragt. Einige absolvierten bis zum Sommer 2005 vier Kampfeinsätze, mehr als jeder Soldat im Krieg.
Jetzt bereitete das Team einen militärischen Angriff gegen einen Terroristen vor, der seit mehr als 20 Jahren auf der Fahndungsliste des FBI ganz oben stand.
Seit dem Bombenanschlag im Januar 1975 auf die Fraunces Tavern in New York, einem der ersten verheerenden Terrorangriffe der jüngeren Geschichte, war das FBI hinter Filiberto Ojeda Ríos her. Der bewaffnete Arm der puertoricanischen Unabhängigkeitsbewegung, die FALN, hatte die Verantwortung dafür übernommen. In den sechziger und frühen siebziger Jahren hatte das FBI COINTELPRO-Operationen gegen die Unabhängigkeitsbewegung geführt. Hoover selbst hatte von der »wachsenden Kühnheit« ihres politischen Programms gesprochen und von der »Ermutigung ihres Kampfes durch Castros Kuba«. [672]
Ojeda war der Kommandeur der FALN. Er war zwischen 1961 und 1967 vom kubanischen Geheimdienst ausgebildet worden und als Revolutionär nach Puerto Rico zurückgekehrt. Von einem FBI-Agenten in San Juan verhaftet, wurde er gegen eine Kaution auf freien Fuß gesetzt und floh nach New York, wo er, gedeckt von Castros Geheimdienstoffizieren, in der kubanischen Vertretung bei den Vereinten Nationen tätig war. Anfang 1974 hatte Ojeda die FALN in New York und Chicago organisiert.
In den nachfolgenden zehn Jahren legte das FBI der Gruppe mehr als 120 Terroranschläge zur Last, bei denen insgesamt sechs Menschen getötet wurden und ein millionenschwerer Sachschaden entstand. Am 1. November 1976 hatte das FBI Glück, als ein Heroinabhängiger in das Geheimversteck der FALN in West Town, Chicago, einbrach, um etwas zu stehlen. Er fand ein ganzes Dynamitlager, das er auf der Straße zu verkaufen versuchte. Zwei Tage später, am 3. November 1976, erfuhren die Chicagoer Polizei und das FBI von seinem Bemühen und erwirkten einen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung, in die er eingebrochen war. Sie fanden die erste Bombenwerkstatt, die jemals in den Vereinigten Staaten bei Terrorermittlungen entdeckt wurde. In der
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