Feenfuchs und Feuerkuss
das Leute aus Rio de Janeiro und Tokio herausließ.
„Rio, Mama?“, fragte Luisa.
Eva lachte breit. „Nein. Tokio!“
„Tokio?“, murmelte Luisa und sah
wieder zu den Milchglastüren, die nach und nach die Fluggäste preisgaben.
„Tokio?“, wiederholte Luisa und
schlug sich die Hand vor den Mund.
„Ja! Tokio!“, rief Eva.
Luisa traten Tränen in die Augen,
die sie hektisch weg blinzelte, um die Gesichter der Ankommenden erkennen zu
können. Sie reckte sich, um mehr überblicken zu können.
Und dann sah sie ihn!
„Papa!“, jubelte Luisa und rannte
los.
Ansgar Frost sah sich nach ihrer
Stimme um.
„Hier, Papa! Hier!“ Sie schwenkte
wild mit den Armen.
Ihr Vater entdeckte sie, breitete
seine Arme aus und fing Luisa auf, als sie ihm um den Hals fiel.
22 Flüsternde
Muschel
Ansgar
Frost hielt Luisa ein Stück von sich weg und sagte: „Mein Spätzchen, wie du
dich verändert hast!“
Luisa
lachte, Freudentränen rannen ihr Gesicht herab. „Du aber auch“, erwiderte sie
und betrachtete Ansgars Vollbart, den er vor einem Jahr noch nicht gehabt
hatte.
Dann
tauchte Eva neben ihnen auf und Luisa trennte sich von ihrem Vater.
Ihre
Eltern sahen sich für einen Moment reglos an, dann schluchzte Eva und Ansgar
riss sie an sich.
Luisa
war diese Szene etwas peinlich, aber gleichzeitig war sie so unfassbar
glücklich. Ihr Papa war zurück. Als sie sich dies bewusst machte, durchströmte
größte Dankbarkeit ihren Körper.
„Das
ist Haru. Er war unser Dolmetscher“, erklärte Ansgar und fuhr mit der Maus des
Laptops über das Gesicht eines jungen Japaners, der breit in die Linse
lächelte.
Es war
mittlerweile Nacht geworden, aber Luisa spürte nicht einen Funken Müdigkeit.
Jede einzelne ihrer Zellen schwirrte vor Aufregung, weil ihr Vater leibhaftig
und keine handbreit von ihr entfernt am Küchentisch saß und ihnen Bilder von
seiner Mission in Japan zeigte, die ihn fast ein Jahr lang von der Bildfläche
gewischt hatte.
Ansgar
hatte bisher nur einen Bruchteil seines Abenteuers erzählt und doch spürte
Luisa, dass sie allen Grund hatte, froh zu sein, dass ihr Vater nun wohlbehalten
und gesund hier saß. Denn die Andeutungen, die er über Entbehrungen und
Gefahren machte, reichten, um Luisa in Angst und Schrecken zu versetzen.
Die
Nacht war schon weit vorangeschritten, als sie ins Bett fiel. Luisa hatte ihre
Zimmertür aufgelassen, um weiter den Stimmen ihrer Eltern, die immer noch in
der Küche saßen, lauschen zu können.
Zu
ihrem Glück, sank sie in den Schlaf, bevor sie Sam zu sehr vermissen konnte.
Luisa
erwachte am nächsten Morgen von einem Geräusch, das ihr einerseits äußerst
vertraut war, aber andererseits eine große Aufregung in ihr auslöste: Die
Küchenmaschine war seit Monaten zum ersten Mal wieder angestellt worden.
„Papa“,
flüsterte Luisa, hastete ins Erdgeschoss und lief zur Küche.
Da war
er.
Ansgar
Frost hatte sich rasiert. So sah er plötzlich danach aus, als wäre er nie
weggewesen.
Luisa stand
im Türrahmen und beäugte den Frühstückstisch. Auf ihrem Platz stand schon ein
Teller mit Hafersuppe, die Spezialität ihres Vaters: Haferflocken mit Milch und
Zucker zu einem warmen Brei gekocht. Dazu gab es eine geschnittene Banane und
einen großen Klecks Heidelbeer-Joghurt.
„Morgen,
mein Spätzchen.“
Luisa
lächelte Ansgar an. „Morgen, Papa.“
„Ich
hoffe, du isst die Suppe noch gerne.“ Er deutete auf ihren Teller.
„Ich
habe sie nicht gegessen, seitdem du weggegangen bist.“
Ansgar
hob die Augenbrauen. „Warum nicht? Du weißt doch, wie sie geht.“
Luisa
hatte plötzlich einen Kloß im Hals. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie es
nicht über das Herz gebracht hatte, je die Küchenmaschine anzustellen?
„Willst
du dir lieber ein Müsli machen?“, fragte ihr Vater.
„Nein“,
beeilte sie sich zu sagen, setzte sich und nahm den ersten Löffel. Tränen
stiegen ihr in die Augen, als sie die Köstlichkeit schmeckte.
„Was
ist denn, Spätzchen?“, fragte Ansgar, als er ihre nassen Augen sah.
„Verbrannt“,
lispelte Luisa, da sie wie ein Schlosshund geheult hätte, wenn sie über ihre
Gefühle hätte sprechen müssen.
Ansgar
setzte sich zu ihr und trank seinen schwarzen Tee, während Luisa die Hafersuppe
löffelte.
Als sie
fertig war, stellte er die Tasse zur Seite und drückte ihre Hand.
Ihr Vater
sagte nichts, aber Luisa wusste, dass er sich so für die Zeit, in der er
verschwunden gewesen war, entschuldigte.
Sie
lächelte. Von
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