Feenfuchs und Feuerkuss
Dieses
Problem war also schon mal gelöst.
Doch was war mit Sam? In der
Zeit, die sie am Gestüt verbracht hatte, war sie immer noch nicht Herr über
ihre wirren Gedanken geworden, die sich wie ein Karussell in ihr drehten.
Bilder von Sam, der ihr tief in die Augen schaute, wechselten sich ab mit
flirrenden Sinneseindrücken, wie sich seine Lippen bebend auf ihre gedrückt
hatten.
Luisa begriff plötzlich, was es
hieß, verrückt vor Liebe zu sein. Sie war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig
und ein entrücktes Lächeln stahl sich selbst in den unpassendsten Momenten auf
ihr Gesicht.
Auch wenn Sam und sie noch nicht
darüber gesprochen hatten, wie es jetzt weiterging und ob sie jetzt richtig
zusammen waren, hatten sie sich geküsst.
Wahnsinn , dachte Luisa, Sam hat mich geküsst .
Wenn ihr jemand vor drei Wochen
prophezeit hätte, dass sie ein Date mit dem geheimnisvollen, neuen Schüler aus
England haben würde, hätte sie ihn gnadenlos ausgelacht.
Was
in den letzten drei Wochen alles passiert ist… , dachte sie fassungslos. Die
Zeit war wie im Fluge vergangen und sie hatte das Gefühl, dem Erwachsensein
einen großen Schritt näher gekommen zu sein.
Voller Elan sprang sie von ihrem
Hollandrad, als sie das Elternhaus erreicht hatte. Summend schloss sie die Tür
auf und betrat die dunkle Diele. Ihre Mutter schien sich in ihrem Arbeitszimmer
verbarrikadiert zu haben, denn durch den Türschlitz drang ein wenig Licht
hervor.
Luisa nahm immer zwei Stufen auf
einmal, als sie die Treppe hochlief. Sie wusste gar nicht, wohin mit ihrer
ganzen Energie. An Schlaf war in den nächsten Stunden jedenfalls nicht zu
denken.
Ob sie vielleicht mal aufräumen
sollte, überlegte sie, als sie das Chaos um sich herum wahrnahm.
Luisa ließ sich aber erst einmal
rückwärts auf ihr Bett fallen und dachte einfach an Sam. Es war schon fast
unheimlich, sie musste die ganze Zeit an ihn denken.
Da piepte ihr Handy.
Eine Nachricht von Sam.
Ihr Herz klopfte wie verrückt.
Sie öffnete die Nachricht und traute ihren Augen nicht.
Da stand: ‚Meine Oma hatte einen
Herzinfarkt. Wir sitzen jetzt im Flieger nach England. Ich weiß noch nicht, wie
es weitergeht. Sam'
Luisa hatte den Eindruck, als
würde die Zeit stehen bleiben. Sie starrte auf die Wörter, doch sie ergaben
keinen Sinn. Die Euphorie der letzten Stunden war augenblicklich verflogen.
Sie schluckte den Kloß in ihrem
Hals herunter.
Wieso
weiß er nicht, wie es weiter geht? Meint er, er weiß nicht, wie es mit uns
weiter geht? Wann kommt er zurück? Kommt er überhaupt zurück?
Da er jetzt wahrscheinlich sein
Handy ausgemacht hatte, machte es keinen Sinn, ihm zurück zu schreiben.
Tränen traten Luisa in die Augen
und sie merkte, wie sich langsam schwarze Verzweiflung in ihr ausbreitete.
Sie musste plötzlich an das
Gedicht denken, das Molly geschrieben hatte. Wie treffend ihre Freundin doch den
Schmerz des Liebeskummers beschrieben hatte.
Was sollte sie nur ohne Sam tun?
21 Flut
Luisa hatte Ferientage bisher
immer sehr geliebt. Sie hatte ausgeschlafen, ausgiebig gefrühstückt und war
dann mit ihrem Fahrrad zum Valentinshof gefahren, um viele schöne Stunden mit
Ophelia zu verbringen.
Heute war auch ein Ferientag,
aber er war weit davon entfernt, von ihr geliebt zu werden. Da Luisa nicht zu
Ophelia fahren durfte, verbrachte sie den Morgen damit, nicht an Sam zu denken.
Sie ertrug die Vorstellung einfach nicht, dass er jetzt 890 Kilometer - das
hatte sie aus einer masochistischen Anwandlung heraus gegoogelt - von ihr
entfernt war.
Um die Mittagszeit herum tat sie
das Gleiche: Sie gab sich alle Mühe nicht an Sam und die Entfernung zwischen
ihnen zu denken. Sie hatte damit keinen großen Erfolg. Eigentlich dachte sie
ununterbrochen an ihn. Und an den Kuss. An die Umarmung. An seinen Geruch. Seine
Stimme…
Luisa legte Sams Muschel aus den
Händen, stand von der Fensterbank auf und schaltete ihren Fernseher ein.
Doch das Programm schlug sie
nicht genug in seinen Bann, als dass sie die Erinnerung an Sams Zärtlichkeit
und die Gewissheit, dass sie ihn in der nächsten Zeit nicht wiedersehen würde,
vergessen konnte. Es war sogar so, dass der Kummer immer größer zu werden
schien, je mehr sie versuchte ihn zu vergessen.
Luisa hastete zu ihrem
Kleiderschrank und wühlte in der hintersten Ecke nach ihren Laufschuhen. Wenn
sie joggen ging, dann war wirklich etwas im Argen. Sie zog sich Sportklamotten
an und hastete aus ihrem Zimmer, die Treppe herunter, aus dem
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