Feind in Sicht
Schiffsarzt, begleitet von seinen Maaten, aufs Achterdeck eilte.
Pelham-Martin keuchte: »Um Gottes willen! Seht euch vor, verdammt noch mal!«
Inch fragte: »Ist es so schlimm, Sir?«
Bolitho ging ans Schanzkleid und sah sich die aufgerissene Stelle über der Stückpforte an, wo die Kugel – wahrscheinlich ein Zwölfpfünder – getroffen und wie mit einer Axt Teile aus dem Holz geschlagen hatte. Die Geschützbedienung war wahrscheinlich gerade beiseite getreten, um das andere Schiff zu beobachten. Anderenfalls wäre sie als Schutzschild für den Kommodore gestorben.
Er antwortete: »Holzsplitter verursachen die schlimmsten Wunden, wie Sie wissen. Ich staune, daß er es nicht stärker fühlte.«
Dann ging er an die Reling hinüber und schaute Steuerbord achteraus zum feindlichen Zweidecker, der immer wieder von den Wellen angehoben und auf das Riff geschmettert wurde. Gemessen an dem Winkel, den sein Achterdeck mit dem übrigen Schiffskö rper bildete, mußte ihm schon das Rückgrat gebrochen sein. Es war doch seltsam, daß Pelham-Martin ohne seine hartnäckige Forderung nach diesem letzten Angriff jetzt noch unverletzt gewesen wäre.
Inch meldete: »Die
Hermes
hat die
Telamo n
in Schlepp genommen, Sir.«
Gossett kam über das Deck und berührte die Einschlagstelle mit Verwunderung. »Was mag die Froschfresser veranlaßt haben, diesen letzten Schuß abzufeuern?«
Bolitho merkte, daß ihn Müdigkeit übermannte. »Hätten Sie das nicht auch getan?« Er wandte sich wieder zu Inch um. »Hat die
Spartan
ihre Prise gesichert?«
»Aye, Sir.« Inch betrachtete ihn besorgt. »Sie reicht ihrem Prisenkommando gerade eine Schlepptrosse hinüber.«
»Sehr gut. Schicken Sie Leute nach oben, und nehmen Sie einige Segel weg. Dann lassen Sie ein Signal für
Hermes
und
Spartan
setzen.« Sein Gesicht verfinsterte sich und er bemühte sich, nicht an die Geräusche des Schiffes zu denken, das auf dem Riff zerbrach und nicht an die Sinnlosigkeit seiner letzten Geste. »Wir fahren zurück nach St. Kruis. Lassen Sie nur so viel Segel stehen, wie erforderlich sind, um mit den anderen Schritt zu halten, und melden Sie, wenn alle bereit zum Rückmarsch sind.«
Er sah sich um, als Trudgeon aus der Hütte trat, wobei er sich noch die Hände abtrocknete. »Nun?«
Der Schiffsarzt war ein griesgrämiger, verschlossener Mann, der kein überflüssiges Wort sagte. »In der Tat ein Holzsplitter, Sir. Ist seitlich unter der rechten Achselhöhle eingedrungen. Ziemlich tief, würde ich sagen.«
»Können Sie ihn entfernen?«
»Wenn es sich um einen einfachen Seemann handelte, würde ich keinen Augenblick zögern, Sir.« Er zuckte die Achseln. »Aber der Kommodore schien nicht gewillt, sich von mir berühren zu lassen.«
»Bleiben Sie bei ihm, bis ich Zeit habe, nach achtern zu kommen.« Als Trudgeon Anstalten machte, zu gehen, setzte er eisig hinzu: »Und wenn ich Sie jemals dabei erwische, daß Sie einen einfachem Seemann weniger sorgfältig behandeln als einen meiner Offiziere, dann wird es Ihre letzte Behandlung gewesen sein.«
Inch zögerte, bis der Schiffsarzt verschwunden war. »Müssen wir denn nach St. Kruis zurück, Sir?«
»Die
Telamon
wird ohne Hilfe niemals durchkommen.« Er dachte an die Hochrufe, an die schrecklichen Verluste und an die unbestreitbare Tapferkeit der holländischen Seeleute. »De Ruyter* wäre stolz auf sie gewesen«, setzte er ruhig hinzu. »Und ich will sie jetzt nicht im Stich lassen.«
Er ging zur Querreling, die Achterdeck und Hauptdeck voneinander trennte, und lehnte sich gegen sie. Dabei übertrug sich das leichte Zittern des Schiffes auf seinen Körper, als wären sie fest miteinander verbunden. Unter ihm waren die Matrosen dabei, die Kanonen wieder festzuzurren und das Deck von Pulverresten zu säubern, wobei sie einander Scherzworte zuriefen. Wahrscheinlich wußten sie nicht, daß ihr Kommodore verwundet war. Ob sie die Ironie überhaupt verstehen würden, daß er ihr einziger Verwundeter an Bord war?
Inch beobachtete die Toppsgasten, die sich an den Stagen herunterhangelten, und sagte: »Das heißt, Sie befehligen jetzt das Geschwader, Sir.«
Bolitho lächelte. »Nicht, solange der Kommodorestander weht, Mr. Inch.«
Er dachte plötzlich an all jene, die gefallen oder fürs Leben verstümmelt worden waren, seit das Schiff Plymouth verlassen hatte.
»Ich glaube nicht, daß der Kommodore lange liegen wird. Wenn wir in ruhigeres Wasser kommen, wird Mr. Trudgeon den Splitter herausziehen
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