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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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sah er, daß auch die französische Fregatte mit rundgebraßten Rahen ablief. Ihre durchlöcherten und geschwärzten Segel zeugten vom Einsatz der
Abdiel.
    Er packte ein Glas und richtete es über das Achterdeck auf die
Abdiel,
die zögernd durch den Rauchvorhang stieß. Ihre Masten waren alle unversehrt, aber ihr Rumpf war an mehreren Stellen beschädigt.
    Bolitho schwenkte mit dem Glas von der kleinen Fregatte ab, und als er über eine geschwungene, grüne Halbinsel hinausblickte, glaubte er einen Augenblick, er habe den Verstand verloren.
    Dort kam ein weiteres Schiff um die Landzunge. Seine Segel schimmerten weiß in der Morgensonne, seine hohe Bordwand warf die tanzenden Reflexe der Wellen zurück, als es majestätisch durch den Wind ging und Kurs auf die
Hyperion
nahm.
    Pelham-Martins Stimme zitterte. »Wer ist das?«
    Die Kanoniere der
Hyperion
verließen bereits ihre heißgeschossenen Geschütze, standen auf den Gangways und starrten zu dem stattlichen Neuankömmling hinüber. Als dann die Besatzung der
Abdiel
zu jubeln begann, stimmten die Matrosen der
Hyperion
so laut ein, daß sogar die Schreie der Verwundeten übertönt wurden.
    Bolitho beobachtete das Schiff. Er konnte die lange, dreifarbige Flagge an ihrer Gaffel auswehen sehen, die schmucken, vergoldeten Schnitzereien an der Hütte. Er sagte sich, daß die
Hyperion
zwar alt war, daß dies aber das älteste Schiff war, das ihm je vor Augen gekommen war.
    Langsam antwortete er: »Das ist ein Holländer.« Er setzte das Glas ab und fügte hinzu: »Was befehlen Sie, Sir?«
    Pelham-Martin beobachtete das holländische Schiff, als es noch einmal über Stag ging und dann gemächlich in Lee hinter der
Hyperion
vorbeisegelte.
    »Befehlen?« Er schien sich zusammenzureißen. »In den Hafen einlaufen!«
    »Signal an
Abdiel,
Mr. Gascoigne: In die Bucht einlaufen und unverzüglich ankern«, befahl Bolitho. Er ging auf die andere Seite des Achterdecks. Der Jubel hallte ihm in die Ohren, aber sein Kopf war noch benommen von der Nähe des Todes.
    Inch sah Midshipman Pascoe an und schüttelte den Kopf. »Merken Sie sich diesen Morgen gut. Was Sie auch später tun oder erreichen werden, einem Mann wie ihm werden Sie nie wieder begegnen.« Dann trat er an die Reling, um die übriggebliebenen Toppsgasten zusammenzurufen.
    Bolitho hörte Inchs Worte nicht, er sah auch nicht den Ausdruck in den Augen des Jungen. Er beobachtete das fremde, veraltete Linienschiff, das wieder über Stag ging, um sie in die Bucht zu geleiten. Wenn es nicht gekommen wäre… Er hielt inne und blickte auf seine Uhr. Einen Augenblick glaubte er, sie wäre stehengeblieben, doch nach einem weiteren Blick aufs Zifferblatt schob er sie wieder in die Tasche. Eine Stunde, länger hatte es nicht gedauert. Doch ihm kam es vor, als wären Sie zehnmal so lang im Gefecht gewesen. Er zwang sich, zum Hauptdeck hinunterzublicken, wo der Arzt mit seinen blutbefleckten Helfern die noch nicht betreuten Verwundeten einsammelte. Wie lange mußte es erst seinen Leuten vorgekommen sein?
    Mit einem Seufzer schob er seinen erschöpften Körper von der Reling fort und wandte sich der Hütte zu. Er bemerkte den Jungen, der ihn beobachtete, in den Augen tiefe Verwunderung.
    »Wie Sie sehen, Mr. Pascoe, kann man des Ausgangs nie sicher sein.« Lächelnd ging er nach achtern, um mit dem Kommodore zu sprechen.
    Als er an den Neunpfündern in Luv vorbeikam, traten die Kanoniere grinsend zurück und winkten ihm. Er spürte das starre Lächeln auf seinen Lippen und lauschte auf die eigene Stimme, die ihren erregten Ausrufen antwortete, wie jemand, der neben sich selbst steht; ein Zuschauer.
    Doch als er die Hütte erreicht hatte und sein Schiff in seiner ganzen Länge überblickte, spürte er noch etwas. Es mochte vom Kampf zernarbt und blutig sein, aber es war unbesiegt. Trotz aller Beschädigungen und Verstümmelungen, trotz des schrecklichen Lärms und der nervenzerfetzenden Einschläge, war ihm etwas Gutes geschehen.
    Es war nicht mehr nur ein Schiff mit zusammengewürfelter Mannschaft. Zum Guten oder Bösen war es eins mit den Menschen geworden, die auf ihm dienten. Als hätte die kurze wilde Schlacht alle zu einer Einheit zusammengeschweißt, die ein einziges Ziel verfolgten: zu überleben.
    Er sah den Arzt auf sich zukommen und stählte sich für das, was vor ihm lag. Menschen waren im Sonnenlicht dieses Morgens gestorben. Wie viele, das wußte er noch nicht.
    Als er zu den zerfetzten Segeln und gesplitterten Spieren

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