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Feindesland

Feindesland

Titel: Feindesland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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ich.
    Susanne sagt nichts. Sie kämpft mit sich. Sie hat keine Zeit für Prinzipien, sie wird ein Kind zur Welt bringen. Und Caterina wünscht sich nur Frieden.
    Hartmut nimmt die Scheine aus dem Tresor, zählt sie ab, gibt sie Samir und legt noch fünf Euro drauf. »Für die U-Bahn«, sagt er, »die Rückfahrt zur Familie.«
    »Danke«, sagt Samir und zittert, aber nicht mehr vor Angst. Er steht auf und geht zur Tür. Er bringt dem Russen das Geld sofort, auch wenn es 3:15 Uhr nachts ist. Verbrecher sind immer im Dienst.
    Kurz bevor Samir das Gebäude verlässt, sagt Hartmut: »Und, Samir ...« »Ja?«
    »Mach dir das Gesicht sauber.«
     
    Wir haben gerade mal zweieinhalb Stunden geschlafen, und die Dunkelheit liegt noch über der Stadt, da klopft es an der Tür unseres Wohntraktes. Wir alle vier hören es, aber keiner macht Anstalten aufzustehen. Nur Yannick läuft eilig zur Tür, im Katergalopp hört man seine Pfötchen auf dem dünnen Teppich trommeln und seine Krallen an der Tür kratzen, als wolle er sie vor Neugier aufschneiden. Ich will mich gerade entschließen, mich aufzurichten, als in der neu eingezogenen Wand, hinter der Hartmut und Susanne jetzt wohnen, die Tür aufgeht und ein zerzauster Hartmut mit schmalen Augenschlitzen im Rahmen steht. Er trägt eine schwarzblau karierte, lange Schlafhose und kein T-Shirt. Ich trage nur eine Boxershort und ein altes T-Shirt von Biohazard, auf dem »Urban Discipline« steht. Ich sollte die alle mal aussortieren. Wir schlurfen beide zur Tür, während die Frauen sich umdrehen und weiterschlafen. Wir öffnen. Vor der Tür stehen Samir und Alexej.
    »Duuuu«, grollt Hartmut, als er den Russen sieht, aber ich drücke ihn am Arm, damit er ruhig bleibt. Die Frauen haben die letzten Wochen schon genug durchgemacht.
    »Gehen wir in die Werkstatt«, sage ich wie ein Chef, nehme den Schlüssel vom Brett und gehe einfach voraus.
     
    Wir versammeln uns an der Werkbank neben dem gigantischen, von der Schlacht noch ölverschmierten Monstertruck. Hartmut nimmt einen großen Schraubenschlüssel in die Hand.
    Alexej bemerkt es und sagt: »Das ist nicht nötig.«
    »Warum bist du hier?«, fragt Hartmut.
    »Ich wollte es euch persönlich sagen.«
    »Was wolltest du uns persönlich sagen?«
    »Ich erlasse euch sämtliche Schulden.« Er legt den Briefumschlag, den wir Samir gegeben haben, auf die Werkbank. Dann legt er noch einen Zehner drauf und sagt: »Für die U-Bahn-Fahrt.«
    Hartmut sagt: »Warum machst du das?«
    »Weil ich es kann.« »Weil du es kannst?«
    »Ja. Das ist das Gute an unserer Art von Geschäft. Ich kann im Grunde machen, was ich will. Weil ich mein eigener Boss bin. Staatsbeamte können das nicht. Die schaffen sich ein Monster aus Gesetzen, und wenn sie es einmal losgelassen haben, müssen sie ihm dienen. Ohne Zurück. Das Monster wird nie mehr schrumpfen. Aber ich kann einfach sagen: >Okay, Respekt, ihr habt gewonnen.<«
    »Das ist doch ein Trick«, sagt Hartmut und umklammert immer noch den großen Schraubenschlüssel.
    »Ihr habt mich beeindruckt«, sagt Alexej. »So hat mich noch nie jemand behandelt. Ihr habt euch immer wieder gewehrt, koste es, was es wolle. Samir hat mir erzählt, was ihr mit den Nazis gemacht habt. Was du gesagt hast. Dass du jeden umbringst, der deiner Familie zu nahe kommt. Das ist gut. Du verlässt dich nicht mehr auf andere. Du bist zu allem bereit. Du hast das Prinzip verstanden. Wir stehen uns näher, als du denkst.«
    »Einen Scheiß stehen wir«, sagt Hartmut, lässt den Schraubenschlüssel aber lockerer.
    »Wie du meinst«, sagt Alexej. »Ich wollte es euch jedenfalls bestätigen. Ihr seid frei.«
    »Warum kommst du zu uns?«, frage ich.
    »Bitte?«
    »Na, warum zitierst du uns nicht zu dir, so als Gangsterboss? Direkt vor deinen großen, dunklen Schreibtisch.«
    Alexej lächelt. »Ich habe kein Büro«, sagt er, »mein Büro ist die Straße.« Dann dreht er sich ohne weitere Worte um und verlässt langsam die Werkstatt. Viele bedächtige Schritte, von uns abgewandt, die wir nutzen könnten, um ihm einen verdammten Schraubenzieher in den Rücken zu stechen. Natürlich erstechen wir ihn nicht. Wir sehen ihm nach, bis er die Tür geschlossen hat. Dann stehen wir drei Minuten still und hören den Vögeln zu, die draußen langsam mit dem Zwitschern beginnen. Das Einzige, was wir sonst hören, ist das Geräusch des schweren Schraubenschlüssels, den Hartmut wieder auf der Werkbank ablegt. Nach zwei weiteren Minuten des Schweigens

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