085 - Flitterwochen mit dem Tod
Helga lehnte sich sehnsüchtig lächelnd zurück, schloß halb die Augen und atmete schneller und leidenschaftlicher. Sie war voller Vorfreude, gleichzeitig fürchtete sie sich ein wenig. Diese Nacht war wie dazu geschaffen, eine der schönsten und längsten Liebesnächte ihres Lebens zu werden. Sie wartete auf Frank, einen gutaussehenden und jungen Mann.
Helga griff nach dem Champagnerglas und trank einen Schluck. Der Abend war zauberhaft, der Morgen würde noch schöner sein.
Vor dem großen, weitgeöffneten Bullauge plätscherten die Wellen. Die Tritonsky war noch zweihundert Meilen von Hawaii entfernt, aber schon jetzt schien die Luft vom Wiegen der Palmwedel, dem Geräusch der Brandung und den seligen Seufzern langer Flitterwochen erfüllt zu sein.
„Wo bleibst du, Frank?" flüsterte Helga und trank einen zweiten Schluck.
Sie trug ein durchsichtiges Neglige, das ebensoviel verbarg wie enthüllte. Lange Zeit hatte sie vor dem Spiegel gestanden und versucht, so viele Spuren ihres Alters wie möglich zu beseitigen oder wenigstens zu vertuschen. Frank, dieser hinreißende Liebhaber, sollte nicht merken, daß er fast zwanzig Jahre jünger war als sie.
Vor dem Doppelbett standen einige Tischchen. Eisschalen mit Kaviar, geöffnete und mehrere verschlossene Champagnerflaschen, der teuerste Kognak, den das Schiff führte, und eine Palette anderer Köstlichkeiten waren dort aufgestellt. Frank sollte nur das Beste bekommen; alles, was er haben wollte. Die Lampen in der Luxuskabine waren stark abgeblendet; sie tauchten den Raum in ein tief gelbes Licht. Durch das Bullauge fiel der Schein des Vollmondes herein. Das Schiff schaukelte unmerklich auf den Wellen. Aus den Lautsprechern des Empfängers kam gedämpfte Musik.
Sie paßte zum Champagner, zum Kaviar und zu der erwarteten Liebesnacht.
„Eine Weltreise mit Frank! Und sie hat eben erst angefangen", murmelte Helga Wulfing und dachte an die langen Jahre des Wartens. Aber schließlich hatte dieser unvergleichlich tüchtige Dr. Kern von Transamorosa doch noch ein Schmuckstück wie Frank finden können.
Die hübsche Frau lächelte in Gedanken. Sie war reich und einsam. Frank war alles andere als reich, aber er war der bestaussehendste Mann, den sie jemals gesehen hatte, und erst fünfundzwanzig, hatte er gesagt. Frank war eine einmalige Erscheinung; er war charmant, hatte exzellente Manieren, blitzende Zähne und pechschwarzes Haar. Jedesmal, wenn er sie mit seinen leuchtend-blauen Augen anstrahlte und küßte, durchrieselte es sie vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Ihr war es völlig gleichgültig, ob er es auf ihr Geld abgesehen hatte oder nicht; sie hatte genug davon; und er war es wert - sogar mehr als das. Er gab ihr das Gefühl, etwas umsonst zu bekommen, obwohl sie zu zahlen bereit war.
Ich kann mein Glück noch immer nicht fassen, dachte sie und stand auf. Als sie an einem der vielen wandhohen Spiegel vorbeikam, blieb sie stehen und musterte sich kritisch.
Ihre Figur war noch immer tadellos. Auch dafür hatte sie viel bezahlt; kosmetische Operationen, Massagen, Schönheitsfarmen. Trotzdem war und blieb sie fünfundvierzig.
Sie ging weiter, nahm erwartungsvoll das eiskalte Glas in eine Hand und blieb vor dem Bullauge stehen.
Dann, einer plötzlichen Eingebung folgend, ging sie zum Regler und drehte die Lichtstärke der Stehlampe noch mehr zurück. Jetzt war das Mondlicht heller als die Beleuchtung im Raum.
Es klopfte an der Tür, dann sagte eine Stimme: „Ich bin es, Frank!"
Ihr schweres Parfüm erfüllte den ganzen Raum.
Sie drehte sich herum und rief leise: „Komm. Ich warte schon zu lange, Frank, viel zu lange. Warte! Ich mache dir auf."
Die schwere Tür glitt auf. Frank kam lächelnd herein. Er trug den cremefarbenen Abendanzug aus Nizza und wirkte wie die lebende Statue eines griechischen Gottes. Mit drei großen Schritten stand er mitten im Raum und umarmte sie zärtlich. Er hatte sogar sein Rasierwasser auf ihr Parfüm abgestimmt.
„Es tut mir leid, daß du gewartet hast. Ah! Halbdunkel! Wie romantisch! Du weißt, wie ich diese Stimmung liebe."
Sie zerschmolz förmlich bei dem Klang seiner dunklen männlichen Stimme, die einen rauhen geheimnisvollen Unterton hatte. Dieses Eheinstitut führte wirklich einzigartige Klienten in seiner Kartei.
„Magst du ein Glas Champagner, Frank?" fragte sie. Frank nickte nur. Sie goß ein zweites Glas voll und reichte es ihm. Das Mondlicht wanderte über den kostbaren Teppich, sich den Bewegungen des
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