Feindfahrt
Sie Punkt zwei Uhr nachts wieder an Bord , denn dann laufen wir aus. Und wenn Sie nicht da sind , fahren wir ohne Sie.« »Gott segne Sie , Herr Kapitän.«
»Ich glaube , er hat auch so reichlich zu tun.« Als sie zur Tür wollte , fügte er hinzu: »Nur eines noch. Verraten Sie möglichst der Besatzung nichts von Ihrer Anwesenheit , ehe es gar nicht mehr anders geht.« »Würde die sich denn an uns stören?«
»Das würde sie allerdings. Matrosen sind von Natur aus aber gläubisch. Unter anderem ist es ein schlechtes Omen , wenn
man an einem Freitag ausläuft. Ein Geistlicher an Bord bringt
ebenfalls Unglück. Und mit gleich sieben Nonnen als Passagie re
würden wir uns unweigerlich dem Allerschlimmsten auslie
fern.«
»Fünf , Herr Kapitän. Wir sind nur fünf Nonnen.« Damit ging Schwester Angela hinaus.
Stirnrunzelnd wandte sich Berger an Otto Prager. »Aber Sie sprachen doch von sieben Passagieren , nicht
wahr?« »Ganz recht.« Prager kramte in seiner
Aktentasche und holte zwei weitere schwedische Pässe hervor, die
er Berger über den Schreibtisch hinschob. »Einer für
Gertrud , der andere für mich. Auch sie wartet an Land mit unserem Gepäck , zu dem , wie ich hinzufügen möchte , das Funkgerät gehört , das ich Ihnen besor gen sollte.«
Berger starrte ihn sprachlos an. »Sie und Ihre Frau?« fragte er endlich heiser. »Großer Gott , Otto , Sie sind mindestens fünf undsechzig! Und was werden Ihre Vorgesetzten in Berlin dazu sagen?«
»Nach allem , was ich gehört habe , werden die Russen weit
eher dort sein als ich , also spielt es keine Rolle.«
Prager lächelte ein wenig. »Denn sehen Sie , lieber Erich , auch wir möchten gern wieder in die Heimat.«
Als Berger kurz vor zwei aufs Achterdeck stieg , war
der Regen noch stärker geworden. Die gesamte Besatzung hatte sich
auf Deck versammelt; die Gesichter der Männer waren bleich , das Ölzeug glänzte im schwachen Schein der Deckslaternen. Er packte die Reling , beugte sich vor und begann mit gedämpf ter Stimme zu sprechen. »Ich werde nicht viel sagen , Leute. Ihr wißt alle , worum es geht. Es wird eine verdammt gefährliche Fahrt , ich will euch da nichts vormachen. Doch wenn ihr meine Befehle befolgt , werden wir es schaffen , ihr und ich und die alte Deutschland.«
Unter den Männern erhob sich Gemurmel , m ehr nicht , und er fuhr fort , diesmal mit einer Andeutung von Härte in der Stim me: »Eines noch. Wie ihr alle bemerkt haben werdet , nehmen wir Passagiere mit. Herrn Prager , den ehemaligen Vizekonsul unserer Botschaft in Rio , mit
seiner Frau und außerdem fünf Nonnen von einer
Missionsstation am Rio Negro.« Er hielt inne. Während alle
gespannt warteten , war nur das Rauschen des Regens zu hören.
»Nonnen« , wiederholte er , »aber vor allem Frauen. Unsere Heimfahrt ist lang , also werde ich mich klar und unmißver ständlich ausdrücken. Jeden , der die gebotene Grenze über schreitet , werde
ich höchstpersönlich erschießen und den ent sprechenden
Eintrag ins Logbuch machen.« Er straffte sich. »Und jetzt
jeder Mann an seinen Platz.« Als er sich von der Reling abwandte , trat sein Erster Offizier zu ihm. Leutnant zur See Johann Sturm , ein großer , blonder Junge aus Minden in Westfalen , hatte erst drei Tage zuvor seinen zwanzigsten Ge burtstag gefeiert. Auch er war , wie Helmut Richter , UBootfahrer gewesen und hatte als Zweiter Wachoffizier ge dient.
»Alles klar , Sturm?« erkundigte sich Berger leise.
»Ich glaube schon , Käpt'n.« Sturms Ton war überraschend ru hig. »Das Funkgerät , das uns Herr Prager aus Rio mitgebracht hat , habe ich , wie befohlen , in meiner Kabine verstaut. Großar tig ist es ja nicht gerade. Es hat nur eine begrenzte Reichwei te.«
»Besser als nichts« , antwortete Berger. »Und die Passagiere? Sind die auch sicher untergebracht?«
»Aber ja , Käpt'n.« Im Ton des Jungen lag ein winziges Lachen. »Das kann man wohl sagen.«
Eine weiße Gestalt tauchte aus der
Dunkelheit auf und ent puppte sich gleich darauf als Schwester Angela.
Berger schluckte; leise , aber nichtsdestoweniger drohend sagte er: »Kann man das wirklich , Herr Leutnant Sturm?«
Schwester Angela fragte munter: »Legen wir ab , Herr Kapitän? Darf ich zusehen?«
Berger, dem das Wasser von der Mütze troff,
funkelte sie hilf los wütend an; dann wandte er sich an Leutnant
Sturm und befahl: »Nur Besan und Klüver setzen , Sturm. Und lassen Sie den Anker lichten.« Als Leutnant Sturm den Befehl wiederhol te und
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