Feindgebiet
ihrer Soldatenseele, dass diese Auseinandersetzung sich letztendlich um etwas so Lächerliches wie Geld drehte. Trotzdem versicherten ihr die Berater, dass noch nicht alles verloren sei.
Nach der Schlacht in den Randwelten – vorausgesetzt, sie ging als Siegerin daraus hervor – waren sie in der Lage, zu weitaus besseren Bedingungen Geschäfte abzuschließen. Dann würde auch das Geld wieder fließen. Bis dahin allerdings konnte sie nur die Beschlagnahmung, die Demontage und den Verkauf all dessen anordnen, das irgendwie von Wert war.
Ihre Berater trauten sich dabei nicht, ihr zu sagen, dass kaum noch etwas übrig geblieben war. Sogar die innere Kunststoff-Verkleidung und die Isolierung der schäbigsten Tahn-Wohnblöcke waren von den Steuereintreibern bereits weggeholt und als Altmaterial verkauft worden.
Da ihr in jeder Hinsicht die Hände gebunden waren, wandte sich Lady Atago nach innen. Wenn sie momentan auch nicht kämpfen konnte, so wollte sie wenigstens das Tahn-Haus in Ordnung bringen. Ganz oben auf ihrem Wunschzettel stand die Liste mit den 72 Verrätern. Dieses Problem ging sie mit kalter Genugtuung an. Die Militärpolizei der Tahn kehrte die Verdächtigen bereits zusammen.
Gemeinsam mit den 72 Haupttätern wurden alle Personen festgenommen, die mit diesen faulen Subjekten in Verbindung standen. Damit nicht genug, tauchten Tag für Tag mehr Namen auf. Lady Atago wurde rasch klar, dass einige der Opfer unschuldig waren – ihre Namen erschienen lediglich deshalb, weil sie sich die falschen Feinde gemacht hatten. Doch mit dieser Tatsache konnte sie durchaus leben. Außerdem besaß sie eine Liste mit den Namen all derer, die diese Namen genannt hatten. Auch für ihre Häuser waren bereits Polizeieinsätze befohlen. Die Beschickung der Gefängnisse und Militärtribunale mit einer Woge von Verdächtigen wirkte wie ein Ventil für ihre Frustrationen, eine Beschäftigung, der sie mit wachsender Begeisterung nachging.
So kam es, dass Wichman, der in ihr Büro zitiert worden war, dort eine aufgekratzte und strahlende Lady Atago antraf. ›Das müsste man in den Livies zeigen‹, dachte er, als sie ihn begrüßte. Sie war schön und sinnlich und tödlich – jeder Millimeter ihrer großen, kurvenreichen Gestalt verriet den echten Tahn-Helden. Sie zu sehen, sich in ihrer Nähe aufzuhalten, das bedeutete immer auch die Erkenntnis, dass die gegenwärtigen Probleme nur vorübergehender Natur waren, dass der Sieg letztendlich doch in die rechtmäßigen Hände fallen würde.
Der Grund für Lord Wichmans Besuch lag darin, dass er Lady Atago bei der Bespitzelung von Falschdenkern behilflich sein sollte. Als er eintraf, war er mit Lo Preks ständig wachsendem Beweismaterial für kriminelles und korruptes Tun auf Heath ausgerüstet.
Lo Prek hatte Tausende von Polizei- und Geheimdienstakten durchforstet und eindeutige Beweise herausgefiltert, dass Heath sich im Würgegriff des Verbrechens und des Dissidententums befand. Mehr noch, er hatte viele dieser Verbrechen, die auf den ersten Blick als unbedeutender Krawall erschienen, bis in die Bürokratie und zu den verantwortlichen Beamten zurückverfolgt. Dass viele der Beschuldigten tatsächlich schuldlos waren, spielte dabei keine Rolle, da Lo Prek ein Muster entdeckt hatte, das zu dem unanfechtbaren Schluss führte, dass hinter dieser Welle des Verbrechens eine Imperiale Verschwörung steckte.
Lo Prek hatte in jeder Einzelheit recht, inklusive der Tatsache, dass Sten nicht nur hinter dieser Verschwörung steckte, sondern sie auch weiterhin dirigierte. Das war der einzige Punkt, dem Wichman keinen Glauben schenkte und den er momentan vor Lady Atago zurückhielt. Als Lo Prek seine Entdeckungen zögernd mitgeteilt hatte, hatte Wichman angesichts der Besessenheit dieses Mannes ein Grinsen unterdrücken müssen.
Wenn sich mittels dieser geradezu mythischen Figur Sten derartige Resultate erzielen ließen, war Wichman der letzte, der Lo Prek entmutigt hätte. Die Tatsache, dass Lo Prek verrückt war, musste nicht unbedingt ein Beweis für seine Dummheit sein.
Während Lady Atago mit wachsender Begeisterung durch die Ausdrucke blätterte, gratulierte sich Wichman selbst für den Weitblick, der ihn Lo Prek in seine Organisation hatte aufnehmen lassen.
»Das ist genau das, was wir brauchen, Mylord«, sagte Lady Atago. »Ich bewundere Ihre Dienstbeflissenheit. Wenn nur der eine oder andere … Ich muss gestehen, dass mich einige Mitglieder des Hohen Rates sehr
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