Feindgebiet
bearbeiten, und schon gar nicht, sie mit einem ständig wachsenden Datenberg zu vergleichen, den Stens Vermesser, Organisierer und Arbeitsgruppenspione unablässig ergänzten.
Die Lösung dieses Problems verlangte nach zwei sehr unterschiedlichen, doch vergleichbar souveränen Köpfen: Sorensen und Kraulshavn. Der dickliche Landbursche kochte sämtliche Vorgänge bis auf die kleinste Ausdrucksebene herunter. Dadurch wurde alles um ungefähr 80 Prozent reduziert. Immer noch zu viel. Dann gelang Kraulshavn das Unmögliche. Er entwickelte eine Symbolsprache, bei der ein einfacher Schnörkel hundert Schirmen voller Daten entsprach. Die Schriftzeichen der alten Chinesen ließen einen entfernt ahnen, welche Kunstfertigkeit Kraulshavn da an den Tag legte.
Dann kam das knifflige Problem der Kommunikation mit dem elektronischen Flachhirn. Wie konnte man unter diesen primitiven Umständen Symbole eingeben und empfangen? Eigenartigerweise ergab sich die Antwort recht simpel. ›Warum kein Funkensender?‹ hatte Sten gefragt. Alex hatte ihn kurz mit offenem Mund angestarrt und sein kleines Team sofort auf die Sache angesetzt. Rasch wandelten sie Kraulshavns Symbolsprache in Punkte und Striche um. Zur Übermittlung diente eine einfache Taste – ein Federmechanismus, der per Hand bedient wurde. Die summenden Antworten des Computers wurden mittels eines winzigen Lautsprechers übertragen.
Das größte Problem blieben jedoch die Speicherbänke. Niemandem war auch nur der dümmste Vorschlag eingefallen, wie man die Daten speichern konnte. Alex hatte Kraulshavn und Sorensen belegen, als er ihnen sagte, ihm schwebe bereits eine Lösung vor, sie sollten sich nur mit dem Computer beeilen. Als der Online-Tag näher und näher rückte, wurde Alex immer frustrierter.
Die Antwort lieferte Ibn Bakr. Der riesige Schneider musste Stoff altern lassen, um Tahn-Bauernkleidung herzustellen. Dafür benutzte er eine milde Ätzlösung in kurz vor dem Siedepunkt stehendem Wasser und wusch den Stoff in einer der großen Industriewaschmaschinen immer wieder durch. Eines Tages, als Alex gerade wieder einmal über seinem Problem brütete, stand er wie hypnotisiert vor den beiden Quirlapparaten, die sich abwechselnd in die eine, dann in die andere Richtung bewegten. Sein Unterkiefer klappte herunter, als ihm klar wurde, dass er da gerade auf die Antwort blickte. Wenn er ein wenig an der Übersetzung herummanipulierte … den Draht von einer Spindel auf die andere spulte … die Polarität des Drahtes umkehrte … und dann die Daten aus dem Computer auf den Draht einspeiste … Voilá! Nach mehreren tausend Jahren hatte Kilgour noch einmal das Drahtmagnetophon erfunden.
Schließlich war der große Augenblick gekommen. Sten und Alex beugten sich über Sorensen und Kraulshavn, die sich bereithielten, den Computer anzuwerfen. Sorensen gab Kraulshavn ein Zeichen, doch dieser schüttelte den Kopf. Nein. Dann fuchtelte er wieder mit den Fingern herum.
»Gibt es ein Problem?« fragte Sten.
»Er meint, das Ding braucht einen Namen«, antwortete Sorensen lachend. »Sonst weiß es nicht, mit wem wir sprechen.«
Sten unterdrückte ein ungeduldiges Stöhnen. Für Kraulshavn war das offensichtlich von größter Wichtigkeit. Was Sten jetzt am allerwenigstem brauchen konnte, war ein großer, schmollender Vogel als Programmierer.
»Wie war’s mit Brainerd?« schlug Sten vor. »War das nicht der Kerl, der uns in grauer Vorzeit in diesen Computerschlamassel hineingeritten hat?«
Sorensen übermittelte es Kraulshavn. Brainerd? Kein Problem. Gefiederte Fortsätze manipulierten die Taste. Winzige Funken sprangen rhythmisch in der Lücke hin und her. Sten stellte sich bildhaft vor, wie die Punkt-Strich-Symbole durch den Draht glitten. Unbewußt beugte er sich näher zu dem kleinen Lautsprecher hin und wartete auf die knisternde Antwort des Computers.
Nichts. Wieder flogen die Finger. Noch mehr Funken.
»Komm schon, du kleiner Blödmann«, schnaufte Sten. »Wach schon auf … Komm schon … Komm schon … Sprich mit uns!«
Ein stotterndes Knistern. Dann Schweigen.
»Verdammt! Was ist denn mit ihm los?«
»Nur Geduld, junger Horrie«, sagte Alex. »Vielleicht hat das kleine Monster Angst, aufzuwachen.«
Nach all der Zeit und der Mühe, die bereits auf dieses Projekt verwendet worden waren, konnte Sten der Situation nicht mit Humor begegnen. Viel lieber hätte er die widerspenstige Kiste getreten; vielleicht brauchte sie ja einen Kickstart. Er stellte sich einen
Weitere Kostenlose Bücher