Feindgebiet
etwas sagen müsste, doch aus irgendeinem Grund hatte er plötzlich Angst. Dann war der Moment vorüber.
Der Imperator nahm Sullamoras Glas und stellte es zusammen mit der Flasche zur Seite. Sullamora war für heute entlassen.
»Denken Sie sich eine fünfminütige Rede für morgen aus, Tanz«, sagte der Imperator noch. »Meine Öffentlichkeitsfuzzis können sich ja heute mit Ihren zusammensetzen. Da bleibt Ihnen noch genug Zeit, um das, was ich von Ihnen hören will, in eigene Worte zu packen.«
Sullamora erhob sich. Er wollte schon seine Abschiedsworte formulieren, da hielt er noch einmal inne. Mit gewisser Belustigung beobachtete der Imperator, wie sein Gegenüber allen Mut zusammenkratzte, um doch noch etwas zu sagen. Der Imperator beschloss jedoch, ihm nicht zu helfen und lieber abzuwarten, was sich daraus entwickelte.
»Ich habe mich, äh … Euer Majestät, ich frage mich schon die ganze Zeit«, brachte Sullamora hervor.
»Ja?« Die Stimme es Imperators klang barsch; noch immer wollte er seinem Gegenüber nicht hilfreich unter die Arme greifen.
»Nach dem Krieg … äh, was haben Sie dann eigentlich vor?«
»Mich tierisch besaufen«, sagte der Imperator. »Eine gute Angewohnheit, bevor man sich daran macht, die Toten zu zählen.«
»Nein, Sir, das, äh, meinte ich eigentlich nicht. Wissen Sie, ich habe mit den anderen Mitgliedern des Privatkabinetts geredet, und … Was ich sagen will … Was haben Sie mit uns vor?«
Der Imperator hatte das Privatkabinett kurz nach Ausbruch des Krieges ins Leben gerufen und Sullamora sowie einige andere Leute eingesetzt, die seiner Sache dienlich waren. Theoretisch fungierten sie als seine Ratgeber, doch der Ewige Imperator hatte nie die Absicht gehabt, auf sie zu hören – er gab ihnen jedoch auf diese Weise ein Gefühl von Wichtigkeit und hielt sie sich gleichzeitig vom Pelz. Genauso verfuhr er mit dem Imperialen Parlament. Der Ewige Imperator glaubte fest an die trickreichen Machenschaften der Demokratie. Sie gehörten zu den wichtigsten Grundpfeilern einer absoluten Monarchie.
Er gab vor, über Sullamoras Frage nachzudenken.
»Ich weiß es nicht«, sagte er dann. »Vermutlich werde ich das Kabinett auflösen. Warum fragen Sie?«
»Also, wir glauben, wenn wir Ihnen zu Kriegszeiten nützlich sind, dann sollte man darüber nachdenken, wozu wir im Frieden fähig sein könnten. Ich meine, wir haben da einige Vorschläge, die Sie, Euer Majestät, unmöglich bedacht haben können.«
›Genau!‹ dachte der Imperator. ›Das würde euch so gefallen.‹ Er würde sich davor hüten, sich eine offiziell anerkannte beratende Institution ans Bein zu binden. Aber warum sollte er das Sullamora erzählen? Er überging auch die Bemerkung des Mannes, dass die Mitglieder des Privatkabinetts sich über derlei Entscheidungen Gedanken machten. Vielleicht musste er sie doch genauer unter die Lupe nehmen.
Der Ewige Imperator setzte sein charmantestes Lächeln auf.
»Das ist allerdings eine Überlegung wert, Tanz«, sagte er. »Ich werde darüber nachdenken.«
Er lächelte, bis Sullamora draußen war. Sobald sich die Tür hinter ihm schloss, war das Lächeln wie weggewischt.
Kapitel 19
Ohne es zu wissen, hatten die Tahn den Gefangenen von Koldyeze zu einem idealen Versteck für ihren neu entwickelten Computer verhelfen: die allgemeinen sanitären Anlagen. Die Tahn hatten das Problem der sanitären Anlagen für so viele Gefangene mit der ihnen eigenen sturen Effizienz gelöst. Unter Einsatz von Vorschlaghämmern waren dreizehn Zellen in einen großen Raum verwandelt worden. Ein Bereich wurde für die Toiletten abgetrennt, ein anderer enthielt ein halbes Dutzend gigantische, veraltete Waschmaschinen. Ein dritter diente als Duschraum, und in einem weiteren befanden sich beinahe 100 Waschbecken, vor denen die gleiche Anzahl großer Spiegel in der Wand versenkt war.
Alex hatte sechsunddreißig von ihnen durch die Spiegelflächen-Chips, aus denen der Computer bestand, ersetzt. Sie ließen sich an Scharnieren ausklappen, die Hernandes nach Abbildungen entworfen hatte, an die er sich aus einem Studienkurs über »Alte Konstruktionstechniken« erinnerte. Sie waren mittels kryogener Drähte miteinander verbunden, die St. Clair von den Antriebsspulen herrenloser A-Grav-Gleiter organisiert hatte.
Nächstes Problem: Software. Trotz der Größe des Computers handelte es sich um ein ausgesprochenes Erbsenhirn. Er war nicht dazu in der Lage, sehr viele Vorgänge gleichzeitig zu
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