Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
vor.
»Nein!«, schrie der Händler.
»Nun, die Abendflut kommt langsam herein«, sagte Tad zu Aziz. »Wenn du noch ein paar Stunden
hängen bleibst, solltest du imstande sein, einfach loszulassen und zu dieser Treppe dort zu schwimmen.«
Er zeigte auf die andere Seite.
»Es sei denn, die Haie erwischen ihn vorher«, sagte Jommy zu Zane.
»Ich kann nicht schwimmen!«, rief der Händler.
»Ja, wahrscheinlich hat man in der Wüste nicht
viel Gelegenheit dazu, es zu lernen«, stellte Zane
fest.
»Dann steckst du wirklich bis zum Hals im Dreck,
wie, Kumpel?«, fragte Jommy. »Was hältst du von
einem kleinen Handel? Du beantwortest eine Frage,
und wenn mir die Antwort gefällt, ziehen wir dich
hoch.«
»Und wenn dir die Antwort nicht gefällt?«
»Schneidet er da« – Jommy zeigte auf Zane – »das
Seil durch. Und wir sehen, ob du bei dem Sturz umkommst oder nur dein Leben ruinierst – bevor die
Abendflut kommt und dich auf jeden Fall ersäuft.«
»Barbar!«
Jommy grinste. »So bin ich schon öfter genannt
worden, nachdem ich nach Kesh kam.«
»Was wollt ihr wissen?«, fragte der Wüstenmann.
»Nur eins«, sagte Jommy, und plötzlich war sein
Grinsen verschwunden. »Wo steckt Jomo Ketlami?«
»Ich weiß es nicht!«, rief der Mann und versuchte,
mit den Füßen Halt an dem baumelnden Frachtnetz
zu finden.
»Wir wissen, dass er irgendwo in der Stadt ist!«,
sagte Jommy. »Wir wissen, dass er die Stadt nicht
verlassen hat. Und wir wissen, dass du seit Jahren
mit ihm Geschäfte machst. Also bieten wir Folgendes an: Du sagst uns, wo er steckt, und wir ziehen
dich hoch. Dann suchen wir ihn, finden heraus, was
wir wissen wollen, und bringen ihn um. Du brauchst
dir keine Sorgen mehr zu machen. Oder du sagst es
uns nicht, und wir lassen dich hängen. Du kannst
vielleicht auf den Kran klettern und von dort irgendwie runterfinden. Aber selbst wenn, brauchen wir nur
zu verbreiten, dass du Ketlami verraten hast. Und
dann müssen wir dich nur noch im Auge behalten,
bis er dich umbringt, und erwischen ihn ebenfalls.«
Jommys Grinsen kehrte zurück. »Deine Entscheidung, Kumpel.«
»Das kann ich nicht!«, rief der entsetzte Händler.
»Fünf kaiserliche Silberstücke, dass er nicht stirbt,
wenn er unten aufprallt«, sagte Tad.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Zane. »Wenn er ungünstig fällt …«
»Also, dann wette dagegen.«
Zane nickte. »In Ordnung.«
»Wartet!«
Jommy sagte: »Ja?«
»Bitte schneidet das Seil nicht durch. Ich habe
Kinder, um die ich mich kümmern muss!«
»Lügner!«, sagte Zane. »Es ist wohlbekannt, dass
du den Mädchen in den Bordellen erzählst, du hättest
keine Frau.«
»Ich habe auch nicht behauptet, dass ich eine Frau
habe«, erklärte der kleine Mann. »Aber ich kümmere
mich tatsächlich um die Handvoll Bastarde, die ich
gezeugt habe.«
»Du bist ein Ausbund an Großzügigkeit, Kumpel«,
stellte Jommy fest.
»Es gibt Männer, die erheblich weniger für ihren
Nachwuchs tun«, erwiderte der baumelnde Händler.
»Ich habe den Ältesten sogar in mein Haus genommen, damit er ein Handwerk lernt.«
»Welches denn?«, fragte Zane. »Handel, Spionieren, Lügen oder beim Kartenspiel betrügen?«
»Weißt du«, fragte Tad, »dass die Flut kommt,
während wir hier stehen und uns unterhalten?«
»Und?« Jommy sah seinen Freund mit zusammengekniffenen Augen an.
»Nun, wenn wir das Seil nicht bald durchschneiden, ist es möglich, dass er einfach ertrinkt, und das
bedeutet, dass die Wette nicht gilt.«
»Das kann ich nicht zulassen«, sagte Zane. Er
fuchtelte mit dem großen Jagdmesser herum, das er
in der Hand hielt, und begann, an dem schweren Seil
zu schneiden, das sich durch den Flaschenzug hoch
auf den Kran zog.
»Nein!«, schrie der kleine Mann. »Ich werde reden!«
»Dann rede«, erwiderte Jommy.
»Erst wenn ihr mich hochzieht!«
Zane warf einen Blick zu seinen Kameraden. »Eine vernünftige Bitte?«
»Na ja, ich glaube nicht, dass er uns alle drei niederschlagen kann«, sagte Tad. »Immerhin ist er unbewaffnet und ein dürrer kleiner Kerl, und wir sind
… wie hat er uns noch genannt?«
»Mörderische Halsabschneider«, half ihm Zane
aus.
»Also zieht ihn hoch«, sagte Jommy.
Tad und Zane packten beide die schwere Winde,
die benutzt wurde, um das Netz hochzuziehen, und
begannen sie zu drehen. Sie war gut geölt, also bewegte sie sich schnell, und der kleine Mann kam
rasch das Dutzend Fuß hoch, das notwendig war, um
seinen Kopf über den Rand der Landungsbrücke zu
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