Feist Raymond - Die Erben von Midkemia 5
bringen.
Jommy hatte sein Schwert gezogen und zeigte auf
eine Stelle am Dock. »Bringt ihn dorthin, Jungs.«
Tad und Zane hörten auf, die Winde zu drehen,
stellten sie fest, damit das Netz nicht wieder zurückfiel, und dann packten sie den langen Holzarm, mit
dem die Fracht herumgeschwungen wurde. Als sie
den Händler sicher über festem Boden hatten, ließ er
das Netz los, und Aziz fiel die paar Fuß auf die Steine.
Bevor er auch nur daran denken konnte, wieder zu
fliehen, hatte Jommy die Schwertspitze auf die Kehle
des Mannes gerichtet. »Und jetzt wirst du uns sagen,
wo Jomo Ketlami steckt.«
Mit niedergeschlagenem Blick sagte Aziz: »Ihr
müsst ihn finden und ihn schnell umbringen, und alle, die ihm dienen, denn wenn einer von diesen …
diesen Mördern am Leben bleibt, ist es um mein Leben geschehen.«
»Das ist unser Plan«, erwiderte Jommy. »Und, wo
steckt er?«
»Ihr habt euch geirrt, als ihr annahmt, dass er sich
immer noch in der Stadt befindet. Er kennt mehr
Wege durch die Mauern als eine Ratte aus dem Abflusssystem. Es gibt Höhlen in den Hügeln über dem
Strand, einen halben Tagesritt nach Südwesten, und
dort hält er sich versteckt.«
»Und du weißt das weshalb?«, fragte Tad.
»Er hat eine Botschaft geschickt, bevor er floh. Er
braucht mich. Ohne mich hat er keine Möglichkeit,
Botschaften an seine Verbündeten in anderen Städten
am Bitteren Meer zu schicken. Ich soll innerhalb von
zwei Nächten zu diesen Höhlen kommen, denn er hat
Nachrichten für seine mörderischen Brüder.«
»Ich denke, wir sollten ihn einfach umbringen«,
erklärte Zane. »Er steckt tiefer drin, als wir dachten.«
»Nein«, sagte Jommy und steckte sein Schwert
ein, als Tad Aziz an der Schulter packte. »Ich denke,
wir bringen ihn ins Gasthaus, und dort kann er mit
eurem Vater sprechen, und wir werden ihm die Entscheidung überlassen.« An den Händler gewandt
stellte er fest: »Mir ist es gleich, ob du lebst oder
stirbst, also würde ich mich an deiner Stelle ein wenig anstrengen, uns zu überzeugen, dass es besser für
alle Beteiligten ist, wenn du am Leben bleibst.«
Der Mann nickte.
»Komm mit«, sagte Jommy. »Wenn du uns belügst, werden deine Bastarde ohne dich auskommen
müssen.«
»Ich schwöre bei ihren Köpfen, dass ich euch die
Wahrheit sage.«
»Nein«, erwiderte Jommy. »Bei dieser Sache geht
es um deinen Kopf, Aziz.«
Als die Sonne am westlichen Horizont verschwand, kehrten die vier Männer vom Hafen zurück
in das Pestloch von einer Stadt, das sich Durbin
nannte.
Bewaffnete bewegten sich leise durch die Nacht. Vor
ihnen lag ein kleiner Höhleneingang, groß genug,
dass ein Mann nach dem anderen hineingehen konnte, halb verborgen unter einer überhängenden Klippe,
wo sich ein Hügel über dem Strand erhob, der von
Jahren der Erosion schon ziemlich abgetragen war.
Oberhalb der Klippe duckten sich zwei Bogenschützen, bereit, auf jeden zu schießen, der unerlaubt die
Höhle verließ.
Nebel rollte vom Bitteren Meer heran, und durch
die Wolken war kein Mond zu sehen. Die Nacht war
pechschwarz, und die Männer rings um die Höhle
konnten einander in dem schlechten Licht kaum erkennen.
Caleb, Sohn von Pug, bedeutete seinen drei Jungs
zu warten. Hinter ihm stand sein Bruder Magnus bereit, um auf jeden eventuellen magischen Angriff reagieren zu können. Ein Dutzend weiterer Männer
bildete einen Halbkreis um einen anderen Ausgang
der Höhle hundert Schritte von ihnen entfernt.
Die beiden Brüder sahen einander sehr ähnlich.
Sie waren groß und schlank, aber stark, das Haar fiel
ihnen bis auf die Schultern, und sie hatten ihre beinahe königliche Haltung und ihre Augen, die durch
einen hindurchzusehen schienen, von ihrer Mutter
geerbt. Der einzige verblüffende Unterschied bestand
in den Farben: Caleb hatte dunkelbraunes Haar und
Augen von der gleichen Farbe, während Magnus’
Haar so hellblond war, dass es in der Sonne weiß
aussah, und seine Augen waren hellblau. Caleb trug
Jagdkleidung, Hemd und Hose, kniehohe Stiefel und
einen Hut mit weicher Krempe, während Magnus ein
schlichtes schwarzes Gewand angezogen und die
Kapuze zurückgeschoben hatte.
Caleb und sein Bruder hatten den größten Teil der
vergangenen Nacht mit dem Verhör des Händlers
Aziz verbracht. Magnus konnte nicht wirklich auf
magische Art herausfinden, ob der Händler die
Wahrheit sagte oder log, aber Aziz wusste das nicht,
und nach einer schlichten Demonstration von Magnus’ magischen
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