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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Ihr Lehrer hierin war derselbe Mann, der sie auch in dem Andern unterrichtete. Dann, wenn sie vor dem Instrumente sitzt, zieht ein neuer Geist in dieß seltsame Wesen; sie wird ordentlich größer, und wenn die Töne unter ihren Fingern vorquellen und dieß unbegreiflich überschwengliche Tonherz, Beethoven, sich begeistert, die Thore aufreißt von seinem innern tobenden Universum, und einen Sturmwind über die Schöpfung gehen läßt, daß sich unter ihm die Wälder Gottes beugen - - und wenn der wilde geliebte Mensch dann wieder sanft wird und hinschmilzt, um Liebe klagt oder sie fordert für sein großes Herz, und wenn hierbei ihre Finger über die Tasten gehen, kaum streifend wie ein Kind andrücken würde, und die guten, frommen Töne wie goldne Bienen aus den vier Händen fliegen und draußen die Nachtigall darein schmettert, und die untergehende Sonne das ganze Zimmer in Flammen und Blitze setzt - und ihr gerührtes Auge so groß und lieb und gütig auf mich fällt, als wäre der Traum wahr, als liebte sie mich: dann geht eine schöne Freude durch mein Herz, wie eine Morgenröthe, die sich aufhellt - die Töne werden wie von ihr an mich geredete Liebesworte, die vertrauen und flehen und Alles sagen, was der Mund verschweigt.
    Solches Thun und solche Freuden reinigen das Herz. Wir stehen dann alle Vier am Fenster, wie lauter Geschwister, die keiner Schranke gegen einander bedürfen, weil kein Wunsch da ist, eine zu überspringen, sondern nur einfache Liebe. Und wenn ich fortgehe, so geschah es schon, daß sie mir freiwillig, Lucie und Angela, die liebe Hand hinreichten, die Angela sogar herzlich drückend in die meine fügte, mit liebevollen, kühlen Augen mich anblickend, und sagend: »Kommen Sie morgen nicht zu spät, und gehen Sie heute in kein Gasthaus mehr.« Sie hat nämlich einen fast übertriebenen Haß gegen diese Anstalten. Und in Wahrheit, Titus! seit ich sie kenne, ist es mir selber so; mich widert das schale Unterhaltungsuchen unsäglich an, und hier ist es ziemlich, wie in jeder großen Stadt, im Schwunge, und sogar eine Abschiedsrede haben sie, die sagt: ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung. - Ich glaube, ein Bauer meines Geburtsthales schämte sich, wenn man diese Abschiedsrede zu ihm sagte, da er sich Unterhaltung nur erlaubt, aber Arbeit für ehrenvoll ansieht. Ich werde daher außer dem Mittagessen und manchmal Abends, dem alten Aston zu lieb in einem Garten, nie in einem Gasthause gesehen.
    Seit jenem Balle sind nun vier Wochen, und ich sehe sie seit der Zeit täglich - und dennoch weiß ich von ihren gewöhnlichen Verhältnissen nichts, ja nicht einmal ihren Familiennamen, sondern nur, daß sie bei Oheim und Tante wohnt, die alle Welt Oheim und Tante heißt und die sehr reich sein sollen. Den Oheim sah ich nie, die Tante schon öfter, eine gutmüthige, aber unbedeutende alte Frau, deren Gesicht ich schon muß irgendwo gesehen haben; aber ich kann durchaus nicht herausbringen, wo. Sehr neugierig bin ich auf ihren Lehrer. Im Ganzen ist mir aber gar nicht zu Muthe, als sollte ich um Näheres über sie fragen; genug, sie ist da, und scheint von dem gütigen Schicksale mir angenähert worden zu sein, auf daß kein Herz vergessen werde und seinen Antheil an Freude zugetheilt erhalte. Meine Stellung gegen sie ist ruhig, wie es nach der Aufregung in Folge ihres ersten Anblicks kaum zu erwarten war; aber sie ist so; jedes Scharfe und Harte entfernt sie von sich oder es entfernt sich selber. Meine Empfindung ist sanft und still, und es drängt mich nicht, sie ihr zu zeigen, ja, sie käme mir entweiht vor, wenn sie Erwiederung verlangte.
    Im Sommer ist sie meistens weiß gekleidet, und ihre Kleider, abweichend von der jetzigen Mode, reichen ohne Ausnahme bis zum Halse. Ich glaube, es thäte mir weh, wenn ich ihre nackte Schulter sähe - was ich doch bei den Hunderten, die sie täglich und gern zur Schau tragen, nicht anstößig finde. Lucie trägt es auch so, Emma nicht, ich glaube aus Widerspruchsgeist. - -
    Siehe da - der Diener bringt schon mein heraufbestelltes Mittagessen - nun, da ihr Zwei, Du und sie, als Scheinwesen, nichts brauchet, so bleibet mittlerweile hübsch artig auf der Holzbank sitzen, indeß ich aufstehen und ein wenig herumschauen und den vorliegenden kalten Braten und den schönen Salat essen werde. Dann wollen wir wieder weiter fahren und den Rest des Tages gemüthvoll verwenden. - - - Aber fort waret ihr, als ich Messer und Gabel hinlegte - die Gestalten mit wirklichem Fleische

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