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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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unter seine Brüder zurück, wie einen fremden Weisen, vor dem man Ehrfurcht hat.
    Der Gedanke, daß wir statt des gebräuchlichen unersprießlichen Besuchwesens, einen geistigen Umgang eröffnen sollen mit den größten Menschen, lebenden und todten; daß wir an ihnen uns erheben und vor uns selber liebenswerther werden mögen, ging von Angela aus, der jedes Leere fremd ist; darum sie auch in jenem Umgange, der unsern Jungfrauen eigen zu sein pflegt, linkisch und unwohl ist, und eben darum von den Besuchen gehaßt und verspottet wird. Unser Thun ward schon Theegespräch, und man findet es lächerlich, anmaßend, oder heißt uns Fantasten - aber es thut nichts; denn es ist ein ganz Anderes, mein Titus, einen seltnen Menschen zu Hause unter seinen vier Wänden allein und still wegzulesen und tausenderlei zu übergehen, oder ihn vor geliebten Herzen gleichsam laut reden zu hören, sich gegenseitig sein Verständniß zu ermitteln und an der schönen Freude in Freundesaugen seine eigne zu entzünden, und reiner und begeisterter hinwallen zu lassen. Begeisterung wohnt nicht in einsamen Studierstuben, sondern nur der Fleiß; sie schwingt ihre Lohe nicht in Wüsten, sondern unter Völkern; nicht von einem einzigen, sondern von tausend Häuptern lodert sie empor - aber immer ist es Einer - und selten sind solche -, der die Fackel schleudert, daß sie den Brennstoff fasse. Wir nennen ihn dann ein Genie.
    Selbst von den weichen Locken des sechzehnjährigen Kindes Emma spielt ihre goldne Flamme; denn als neulich eine Stelle gelesen wurde, ungefähr so lautend: »Ihr großen, seligen Geister, die wir bewundern und zu denen wir beten, wenn der Mensch sein Glück wegwirft, weil er es kleiner achtet als sein Herz, so ist er so groß als ihr!« und als in jedem Auge der Beifall glänzte, sprang sie auf, und in den schönen braunen Kindesaugen schimmerten die Thränen - sie stand neben mir und blickte mich liebglühend an; ich war selbst tiefgerührt und wußte nicht wie es geschah, daß ich sie an mich zog und voll Liebe meinen Mund an die Kinderknospe ihrer Lippen drückte - sie drückte heiß entgegen und schlang die Arme um meinen Nacken. Es war nur ein Moment und gleich darauf stand sie, wie eine Purpurrose glühend vor Scham da, die Thränen noch in den Augen. Uns Allen schien sie in diesem Augenblicke kein Kind mehr zu sein. Ich war im höchsten Grade verlegen: da trat Lucie zu uns, nahm meine Hand und drückte sie recht herzlich, wahrscheinlich um Emma's und mein unschickliches Thun zu verschleiern; - dann küßte und herzte sie die Schwester und sagte wiederholt: »Du liebes, gutes, heftiges Kind: siehst Du, welche Gewalt die Worte eines Menschen haben können? Und der, welcher diese sagte, und noch andere schöne, die in diesem Buche stehen, war ein einfältiger Pfarrerssohn aus Baiern, der Jahre lang ungekannt war und nichts hatte, als sein eigenes unerschöpfliches Herz, das nun auf die entferntesten Menschen und auf die entferntesten Länder wirkt, wie Predigten der Apostel und Propheten.«
    Durch die Thränen schon wieder lächelnd, sagte Emma zu ihr: »Du selbst bist auch so eine Prophetin und kannst das Predigen nicht lassen, und denkst gar nicht daran, daß Andere auch ein Herz haben, das seine Gefühle so gut hat, wie ihr Alle, wenn man auch dieselben nicht so gelehrt sagen kann, wie ihr.«
    Nach diesem Zwischenspiele lasen wir - Lucie war die Vorleserin - noch den Abschnitt zu Ende, und seit jenem Tage versäumt Emma keine einzige Vorlesung, ja, sie fing sogar an, Meßkunst zu lernen.
    Nach solchen Abenden gehe ich dann im milden Vollmondscheine, den wir eben haben, mit einer fast unschuldigen, hochtönenden Seele durch alle möglichen Umwege in die Stadt zurück.
    Zur Musik sind auch bestimmte Tage auserkoren. Daß aber da von keinem bloßen Herabschütten der Noten die Rede sein kann, begreifst Du; sondern da wird an das Pianoforte gesessen, jede Stelle des Tonstückes geprüft und um ihr Gefühl gefragt, wobei Jedes seine Meinung abgibt, wie sie vorgetragen zu werden verlangt; dann forscht man nach der Seele des Ganzen und paßt ihr die Glieder an - dann so lange Proben, bis nicht mehr die kleinste Ausführungsschwierigkeit vorhanden ist - dann eines schönen Abends braus't ein Beethoven durch die Fenster hinaus.
    Einmal war schon volle Instrumentalmusik; meistens aber wird er vierhändig auf dem Piano vorgetragen.
    Angela ist auch hier wieder die Meisterin, und behandelt das Instrument so kräftig wie ein Mann.

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