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Feldblumen

Feldblumen

Titel: Feldblumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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zu meiner Rechten fast leidenschaftlich; aus dem vom Walde abwärts liegenden Wirthsgarten verlieren sich einzelne Stimmen von Leuten herauf, die frühstücken und sich herumjagen; die Biene summt, ein goldner Falter weht vorüber, stahlblaue Fliegen sonnen sich auf der Tischecke, langbeinige Dinge schreiten auf der Bank und auf meinem Papiere und rings um mich regt, drängt und treibt tausendfaches Leben in tausendfachen Gestalten; funkelndes Geschmeide rührt sich im Grase, auf dem Wege und auf Baumstämmen; gefiederte Familien lärmen durcheinander, und Sonntagsglockenläuten kommt über das Gebirge. Die Zweige flüstern nicht, aber ein melodisches Summen irrt in ihnen von tausend Wesen, die im Sonnenstrahle spielen und arbeiten, und dieses fortgehende Summen dient als zarter Grund, auf dem sich die andere Morgenmusik geltend macht.
    An diesem versteckten Waldtische sitze ich und will ihn bis nach Mittag bewohnen, nichts um mich, als die Millionen kleiner Mitwaldbewohner, die bereits alle an ihre Geschäfte gingen - und zwei liebste Gestalten, die ich mir auf den ganzen Tag geladen habe und die ich still überall mit mir herumführen will: Dich und sie. Wenn ja von dem außen schwärmenden Volke einer herein verschlagen wird und den fremden Mann an dem abgelegenen Tische sitzen sieht und noch dazu schreiben und die hundert Sachen ringsum ausgebreitet, so geht er schon sachte vorüber, weil er den Sonderling nicht stören mag.
    Wie aber soll ich nun beginnen, Dir diese Tage hier abzuschildern? Binde alle bisher von mir erhaltenen Papiere zusammen und schreibe auf den Umschlag: »alte Geschichte« - die neue, die romantische, beginnt mit jenem Balle bei Aston. Titus, eine Tempelhalle, weit und ungeheuer, hat sich in meinem Herzen aufgebaut, und ich trage einen neuen seligen Gott darinnen. Wärest Du nur da, oder wenigstens Lothar, der auf dem Hochschwab oder Schneeberg Studien macht; denn so habe ich keine Seele zum Umgang, d. h. ich habe eine Menge, aber alle taugen nicht dazu, daß man vor ihnen ein kindisches, seliges Herz ausschütte - und so trage ich es schon Wochen lang voll und ahnungsreich in den tosenden Gassen herum, oder, wenn mich diese drücken, so suche ich das Freie und bette es in den Schatten eines Baumes und horche seinen Blättern, die sich Sommermärchen erzählen; dann wird es so ruhig und sanft in mir, wie Sonntags auf den Feldern. - Oder ich lese eine Nacht aus, in der ich auf einen der Westberge Wiens steige, um den Tagesanbruch über der großen Stadt zu sehen, wie erst sachte ein schwacher Lichtstreif im Osten aufblüht, längs der Donau weiße Nebelbänke schimmern, dann die Stadt sich massenweise aus dem Nachtdufte hebt, theilweise anbrennt, theilweise in einem trüben Goldrauche kämpft und wallt, theilweise in die grauesten Ferntöne schreitet, und wie der ganze Plan durchsä't von goldnen Sternen ist, die da von Fenstern blitzen, von Metalldächern, Thurmspitzen, Wetterstangen, und wie draußen das blaßgrüne Band des Horizonts schwach und sanft durch den Himmel gehaucht ist.
    Und wenn ich nicht mit der Natur umgehe, so sitze ich zu Hause und arbeite an meinen Tafeln - oft sehe ich sie stundenlang an und habe das Gefühl, als sollt' ich wunderschöne Dinge machen - da kommen mir dann Träume von glänzenden Lüften und schönen Wolkenbildern darin, lieben fernen Bergen und ihrem Sehnsuchtsblau, wie Heimwehgefühle, von sonnigen Abhängen, von Waldesdunkel und kühlen Wässern drinnen und von tausend andern Dingen, die sich nicht erhaschen lassen, schattenhaft und träumerisch durch die Seele ziehend, wie Vormahnungen von unendlicher Seligkeit, die bald, bald kommen müsse. Dann male ich und lasse das Ding so gehen, wie es geht, und es ist mir, Titus, als finge manches Bild an, mir zu gefallen.
    Nachmittags endlich, wenn sich die Hitze mildert, gehe ich zum Essen, was, wie Du weißt, bei mir im Sommer sehr wenig ist, und dann in ein wohlbekanntes Vorstadthaus, durchschreite seinen Hof und trete in den Garten, wo zwei stille und zwei schelmische Augen, Luciens und Emma's mich willkommen heißen und zu einem Nestor von Apfelbaum laden, der sein Schattengesprenkel auf ihre weißen Kleider, auf den Sandweg, auf Tisch und Sessel streut. Dort harre ich dann ruhig, bis der freundlichste aller Sommerstrohhüte durch den Flieder gewandelt kommt, und dann aus ihm zu uns ein sonnenschönes Antlitz schaut, ein Antlitz, das sich täglich tiefer und süßer in meine Seele senkt. Wenn sie dann den

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