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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Lebenserwartung. Und das wußten sie.
Also machten sie das Beste daraus.
    Zu dieser Analyse gelangte ich natürlich erst viele Jahre
später. Erst da erkannte ich, was für einen unschätzbaren Dienst die Dudes für
meinen Werdegang geleistet hatten.
    »Hast den kompletten Tag weggeratzt, Dude«, sagte der
Siamese, als ich wieder die Augen öffnete. Natürlich war er von einem echten
Siamesen so weit entfernt wie ein Smart von einem Ferrari, obwohl man beide als
Auto bezeichnete.
    Es war inzwischen Abend geworden. Nur wenige Kerzen
brannten noch. Es war still um die anderen Dudes geworden. Weder sangen sie
sich ins Delirium, noch betrieben sie die Nonstop-Schnüffelei an den
Minzestengeln. Viele hatten sich zu Kringeln gerollt und schliefen. Der weiche
Kerzenschein ließ sie wie kleine Dünen beim Sonnenuntergang am Strand
erscheinen.
    Ich lag immer noch rücklings auf dem Blätterhaufen und sah
die Mondsichel und die Sterne am Ende des kreisrunden Brunnenschachts über mir.
Schön anzuschauen waren sie, wie sie vollendete Harmonie und universelle
Weisheit ausstrahlten, obwohl sie in Wahrheit gänzlich blind waren gegenüber
den tagtäglichen Massakern unter ihnen. Eine hübsche Dekoration, weiter nichts.
    Nach der Aussage des Dudes hatte mein Trance-Zustand den
ganzen Tag gewährt. Zumindest hatte mir das Zeug für eine kleine Weile über das
Trauma meiner dahingemeuchelten Familie hinweggeholfen. Was nicht hieß, daß die
Eindrücke vom zurückliegenden Grauen nicht immer noch in meinem Hinterkopf
durcheinanderwirbelten. Im Gegenteil, jetzt, da die Wirkung der Droge verflogen
war, kamen sie mit doppelter Vehemenz zurück. Doch der Selbsterhaltungstrieb
gebot es, daß ich die Zähne zusammenbiß und alles Negative einstweilen beiseite
schob.
    »Hunger!« sagte ich.
    Der Halb- oder Viertel- oder Achtel-Siamese lächelte
verschmitzt. »Hab's mir schon gedacht, Dude.« Mit diesen Worten senkte er den
Kopf, kam mit einem undefinierbaren, dunklen Ding zwischen den Zähnen wieder
hoch und klatschte es vor mich hin. Es handelte sich um ... nun, es war in der
Tat schwer zu bestimmen, um was es sich handelte. Grau, feucht und faltig sah
es aus. Dieser Masse das Etikett »Fleisch« zu verpassen, fiel mir wirklich
schwer, wogegen das Wort »gewöhnungsbedürftig« ins Schwarze traf. Folgerichtig
zeigte ich die einzig angemessene Reaktion: »Bäh!«
    Der falsche Siamese zuckte mit den Schultern.
    »Ist deine Entscheidung, Dude. Hab aber das blöde Gefühl,
daß die Lieferung aus dem Delikatessengeschäft heute nicht mehr eintrifft. Ich
heiße übrigens Eloi.«
    Während ich ihm mit einer Hirnhälfte zuhörte, war die
andere in den Abwägungsprozeß vertieft, ob ich in dieses offensichtlich
ungenießbare Etwas hineinbeißen sollte oder nicht. Ohne zu einem Schluß zu
kommen, übrigens.
    »Also, Dude, jetzt sperr mal ganz weit die Lauscher auf«,
begann Eloi, wobei er mit einem ironischen Blick den Wettkampf zwischen meinem
Mordshunger und dem Ekelgefühl verfolgte. »Davon könnte dein kleines Leben
abhängen.«
    »Wieso?« sagte ich. »Sind wir hier unten vor den Jägern
nicht sicher?«
    »Vor den Jägern vielleicht. Aber glaubst du im Ernst, daß
sich alle Gefahren dieser Welt in Luft auflösen, wenn man sich einfach die
Bettdecke über den Kopf stülpt? Auch wir müssen mal an die frische Luft, zumal
einem das Dope nicht aus den Ohren wächst.«
    »Dope – was?«
    »Das Zeug, das dich in den süßen Traum geschickt hat.
Außerdem kommt das liebe Fresschen nicht von selbst auf allen vieren
reingedackelt und setzt sich dir auf den Teller, wenn du verstehst, was ich
meine. Von dieser Geheimhöhle führt ein langer Schlauch nach draußen.« Er deutete
mit dem Kopf in Richtung des dunklen Ausgangs im Hintergrund, der in eine Röhre
zu münden schien. »Wahrscheinlich eine ausgetrocknete Verbindung, die Anno
Dunnemals die umliegenden Häuser mit Frischwasser versorgt hat.«
    »Und wo kommt man da heraus?« fragte ich.
    »In einem Garten, der parkähnliche Ausmaße besitzt.«
    »Wo ist der Haken?«
    »Das verklickere ich dir gleich. Zuerst aber möchte ich
dir etwas über unsere Gemeinschaft erzählen. Wie du dir denken kannst, wurden wir
alle nicht mit dem goldenen Löffel im Arsch geboren. Du siehst auch nicht
gerade so aus, als hätte dir Papa ein ordentliches Aktiendepot hinterlassen.
Jedenfalls halten wir hier alle zusammen – ich meine, wenn wir nicht gerade auf
'm Trip sind. Und wir bieten jedem Dude Zuflucht, der in Not

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