Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
Helligkeit. Und dort
begegneten sie mir alle wieder. Meine liebe, schöne Mutter nahm gerade von
einem illuminierten, weiß beschürzten Fleischereiangestellten ein saftiges
Steak von mindestens fünf Zentimeter Dicke in Empfang. Vermutlich war es
derjenige Mensch, der ihr im wirklichen Leben das Auge ausgeschlagen hatte.
Aber nun wirkte der Mann wie eine von Norman Rockwell gezeichnete Karikatur
eines Tierfreunds, mehr noch, eigentlich wirkte er wie der Weihnachtsmann in
der strahlenden Variante. Paus- und rotbäckig und liebenswürdig lächelnd bückte
er sich über meine Mutti und überreichte ihr das Fleisch. Die wiederum schien
sich von ihrem garstigen Schicksal derart erholt zu haben, als hätte sie eine
mehrjährige Reha hinter sich. Ihr getigertes Fell funkelte augenblendend in all
der Helligkeit, und ihre grünen Augen waren von innen beleuchtete Edelsteine.
Schnell kam sie zu uns Kindern geeilt und ließ das saftige Stück vor unsere
Pfoten fallen. Meine Geschwister wirkten in dem Minze-Paradies ebenfalls wie
runderneuert. Sogar mein geistig minderbemittelter Bruder strahlte, als hätte er
bei einem IQ-Test den Rekord gebrochen, ganz zu schweigen von der
wiederhergestellten Anmut meiner kunterbunt gefleckten Schwestern. Im
Hintergrund führte die Schar der Dudes einen Freudentanz auf, wobei sie ihre
verrückten Kapriolen aus dem Brunnenbecken aufführten.
    Angesichts der idyllischen Wiedervereinigung flossen mir
Tränen des Glücks über die Wangen. Aber durch den Tränenschleier hindurch sah
ich noch etwas anderes. Ganz in der Ferne, dort, wo die Lichtflut sich zu einer
kaum mehr zu übertreffenden Glorie steigerte, erschien plötzlich eine dunkle
Silhouette. Den Umrissen nach zu urteilen war es eine in eine schwarze Pelerine
gehüllte, menschliche Gestalt, die einen breitkrempigen Hut trug. Sie stand
regungslos so da und beobachtete unser harmonisches Treiben. Und doch strahlte
sie unterschwellig etwas Unheilvolles, ja eine gewisse Gefahr aus. Die kleine
finstere Gestalt am Horizont des gleißenden Universums schien etwas im Schilde
zu führen -
     
    »Ja, ja, Versatzstücke aus der Wirklichkeit fanden in grotesker
Form in deinen Traum Zugang und halfen dir so den Schrecken zu verarbeiten«,
sagte Junior ungeduldig und rückte näher an mich heran. »Typischer Fall von
Verdrängung nach einem Schock. Ich glaube, diese Episode können wir
überspringen.«
    Die Erinnerung an meine hingemeuchelte Familie hatte von
mir so stark Besitz ergriffen, daß mir die kuschelige Stimmung von vorhin trotz
der Kaminfreuden abhanden gekommen war. Die Eiseskälte von draußen kroch durch
die dicken Mauern des Altbaus geradewegs in mein Herz. Auch Sanctas Wärme drang
kaum mehr zu mir. Das Bild aus dem Traum, wie sich alle meine Lieben im
lichterlohen Nirwana um mich versammelt hatten, schwebte immer noch vor meinem
inneren Auge wie ein kitschiges Motiv aus einer dieser wassergefüllten Schneekugeln.
Die ersten Tränen stiegen mir in die Augen, doch diesmal nicht vor Glück. Ich
wußte, daß sich die grausame Wahrheit um meine Familie nicht in einer
Kitschkugel verbarg.
    »Erzähl lieber flott weiter, Paps«, drängte Junior. »Was haben
diese komischen Dudes schließlich mit dir angestellt?«
    Ich wischte mit dem Pfotenrücken die Tränen weg, ohne daß
er es mitbekam.
    »Sie haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin:
Francis. Auch wenn es sich bei ihnen um Bekloppte handelte.«
    »Und was wurde aus ihnen?«
    »Sie wurden alle ermordet. Ohne Ausnahme.«

4
     
    Die Dudes waren Ausgesetzte, Wilde, Entflohene, doch in
erster Linie Freigeister. Allerdings mit einem gehörigen Drogenproblem. Das
machte es per se unmöglich, daß sie je in einem Menschenhaushalt unterkommen
konnten. Die Menschen selbst ließen sich oft und gern allerlei Drogen
schmecken, aber seltsamerweise erachteten sie diese Vorliebe bei Tieren als
höchst unschön, um nicht zu sagen als abnormal. Sie sahen in unseresgleichen
das Idealbild ihrer selbst, rein und völlig abstinent, und akzeptierten es
nicht, wenn das makellos Animalische im buchstäblichen Sinne auch nur von einem
Wermutstropfen verunreinigt wurde.
    Den Dudes war das freilich egal. Denn sie hatten mit der
Außenwelt und den Menschen schon längst abgeschlossen. Allesamt teilten sie in
der einen oder anderen Form das gleiche Schicksal wie ich. Gleichgültig, wie
sie sich über die Runden brachten, ohne anständiges Futter und medizinische
Versorgung besaßen sie eine sehr geringe

Weitere Kostenlose Bücher