Felidae
Nagetiere heimatlos gemacht. Das einzig Positive an der Angelegenheit war, da ß die Wohnung jetzt tatsächlich ungeheuer sauber aussah. Zumindest das.
Nachdem Gustav mir mein Essen hergerichtet hatte (eine raffinierte Kombination aus leicht angebratenen Leberstücken und Dosenfraß), ging er früh schlafen. Er hatte den ganzen Tag wie ein Bergarbeiter geschuftet und ratzte in dem Moment weg, als er auf seine Pritsche fiel. Ich folgte seinem Beispiel und legte mich ebenfalls sofort hin. Sollte an dieser Stelle die zigtausendste wissenschaftliche Erklärung angebracht sein, wieso und weshalb wir fünfundsechzig Prozent unseres Lebens verschlafen und aus welchem Grund wir im Zeitalter der Yuppiemanie und der Frühaufsteher schon wieder eine Ausnahme bilden müssen, so ist diese bestimmt nicht von mir zu bekommen. Es genügt festzustellen (und das ebenfalls nach wissenschaftlichen Untersuchungen!), da ß Langschläfer sicher nicht die erfolgreichsten Individuen auf Gottes Erden sind, da ß man aber andererseits auch noch keinem Genie unter den Kurzschläfern begegnet ist!
Da Gustav sich endlich dazu durchgerungen hatte, die Heizung aufzudrehen, war es im Schlafzimmer wohlig warm, so da ß ich auf der Stelle in einen tiefen Schlaf glitt.
Ich träumte, ich sei abermals in dieser schauerlichen Garage. Nur lag Deep Purple diesmal nicht tot auf dem Rücken, sondern war quicklebendig und saß wie ein Mensch aufrecht auf dem Sattel der Harley Davidson. Aus der riesengroßen Wunde an seinem Nacken scho ß eine mächtige Blutfontäne senkrecht in die Luft, plätscherte dann nieder und übergo ß ihn und das Motorrad. Es war ein grauenhafter Anblick, geradeso, als würde man eine Horrorausgabe von einem Männeken-Pis betrachten.
Auf dem Gesicht des zombihaften Greises breitete sich ein sardonisches Lächeln aus, und er gestikulierte wild mit den Vorderbeinen.
»Das hier ist mein verdammtes Revier!« schrie Deep Purple. »Und ich kann immer noch einen hochkriegen! Schau genau her!«
Er langte mit der Pfote über seine Schulter und zog aus der blutspritzenden Wunde am Nacken ein Junges hervor. Das niedliche arme Ding sah wie die Miniaturversion seines Erzeugers aus und blinzelte verängstigt und hilflos umher. Purple grölte triumphierend und schüttelte das Baby kräftig durch.
»Und weißt du auch, warum ich das kann? Bahnbrechende Behandlungsmethoden, mein Bester, bahnbrechende Behandlungsmethoden! Spasmolyse, Angiographie, Elektrokardiographie, Organtransplantationen, Fibrinolyse, Injektionen, Infusionen, Transfusionen, Tupfer, Pflaster, Druckverband und und und! ... Ja, eine medizinische Betreuung ist das A und O im Alter! Ohne die moderne Medizin läuft heutzutage gar nichts mehr!«
Dann ri ß er plötzlich sein auf diese widerwärtige Art geborenes Junges in die Höhe und schleuderte es wie einen Baseball davon. Mit einem dumpfen Klatschen schlug das Baby gegen die Wellblechwand, hinterließ dort einen großen Blutklecks und platschte dann leblos zu Boden. Purple aber brach erneut in monströses Gelächter aus, grabschte wieder in die Wunde und zauberte ein frisches Baby hervor.
»So oder so ist das Leben, so oder so ist die Welt, mein Bester!« sagte der grausame Vater. »Willst du länger leben und noch mit neunundneunzig einen Ständer haben, dann vertraue deinen Körper ruhig der modernen Medizin an!«
Er schmi ß auch das zweite Kind gegen die Wand. Es schlug klatschend auf und barst wie ein mit roter Farbe gefüllter Luftballon auseinander.
Als säße er auf einer Drehscheibe, begann Purple nun, sich auf seinem Hintern um seine eigene Achse zu drehen, während er beständig in die Wunde griff, immer neue Babys hervorholte und sie wie eine Tennisball-Wurfmaschine gegen die Wände der Garage schmetterte. Und während sich seine Drehgeschwindigkeit steigerte und steigerte, nahm auch die Lautstärke seines bestialischen Lachens immer mehr zu, bis es schließlich zu einem Brüllen anschwoll.
»Hahahohohehe!« schrie er. »La ß t euch Pillen verschreiben für die Unsterblichkeit und Salben für die Potenz! Für die Potenz! Für die Potenz! Für die Potenz! ... «
Er drehte sich immer rasender, bis er nur noch als ein vibrierender, unscharfer Fleck zu erkennen war, aus dem pausenlos diese armen Babys hervorgeschossen kamen und zack zack zack gegen die Wände klatschten.
Innerhalb weniger Sekunden rann ein Blutschwall von den Wänden der Garage. Der Haufen der Babyleichen am Boden wurde zunehmend größer, und
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